„Intimacy“ in Stuttgart Queere Liebe – eine Ausstellung
Die Stuttgarter Galerie Thomas Fuchs gibt mit der Schau „Intimacy“ einen Einblick in queere Intimität zwischen Alltag und Sehnsüchten. Eröffnung ist am 13. Januar.
Die Stuttgarter Galerie Thomas Fuchs gibt mit der Schau „Intimacy“ einen Einblick in queere Intimität zwischen Alltag und Sehnsüchten. Eröffnung ist am 13. Januar.
Vorsichtig greift die Hand in das Haar des Schlafenden. Aber doch bewusst genug, um Zugehörigkeit, ja, Zusammengehörigkeit zu signalisieren. Ich darf das, sagt die Geste, und es ist schön, dass es so ist. „This Tornado loves you“ ist die Szene betitelt, einem lächelnden Ausspruch der zweiten Person über den Schlafenden gleich.
Stephen Bron hat das Bild gemalt. 29 ist der New Yorker erst, und doch erscheint „This Tornado loves you“ als ein erstes Fazit. Der Lockenkopf des Schlafenden hat etwas von den Blumen, Gräsern und Pflanzen, in denen Brons Figuren sich häufig finden und aus denen sie sich ebenso oft lösen. Und der mitunter bewusst rohe Pinselvortrag dient hier nicht dazu, Distanz zu wahren, sondern schafft einen eigenen Handlungsraum.
„This Tornado loves you“ ist damit zugleich programmatisch für das Ausstellungsprojekt „Intimacy“ der Stuttgarter Galerie Thomas Fuchs. „Wenn wir“, sagt Thomas Fuchs denn auch, „in ,Intimacy‘ private Momente zeigen, wollen wir dies bedacht und respektvoll tun. Das erscheint unabhängig von der Frage queer oder heterosexuell angesichts der in letzter Zeit zunehmenden Verrohung im Umgang miteinander durch Hasskommentare und Herabsetzung von anderen wichtig.“
Acht Positionen sind versammelt – zu viel für die Galerieräume in der Reinsburgstraße 68A. Und so wird der Showroom in der wenige Schritte entfernten Augustenstraße 63 zum „Intimacy“-Satelliten.
Natürlich sind Werke des 1992 im Alter von nur 39 Jahren verstorbenen US-amerikanischen Malers Patrick Angus zu sehen. Als Ankerpunkt einer Galerie, die Angus’ Schaffen zurück ins Scheinwerferlicht geholt hat. Als Ankerpunkt, aber auch eines Selbstverständnisses, das Angus selbst so formuliert hat: „Schwule Männer sehnen sich danach, sich selbst zu sehen – in Filmen, Theaterstücken, im Fernsehen, in Gemälden. Das tun sie aber nur selten. Offensichtlich müssen wir uns selbst darstellen. Dies sind meine Bilder.“
Der junge New Yorker Stephen Bron und der mit 31 nur zwei Jahre ältere, in Berlin lebende Israeli Navot Miller scheinen 30 Jahre später der gleichen Überzeugung. Gab sich Angus aber durchaus bewusst als zögernder Beobachter zu erkennen, dessen Bleistift- und Pinselstriche den Frageton nie ganz ablegen würden, zeigen sich die Figuren von Bron und Miller als lässige Souveräne eines offensiv queeren Alltags.
Alles gut also? Thomas Fuchs verweist auf die Zwischentöne in „Intimacy“. „Da ist“, sagt Fuchs, „für einen Künstler der intime Moment mit einem Gefühl der Melancholie verknüpft, da alles endlich ist.“
„Ein anderer“, sagt Thomas Fuchs weiter, „sieht diese Form der Intimität in seinem Land als ausgegrenzt.“ Der Pole Bartosz Kolata erlebt ebendies – und hält mit seiner Serie „Weeds“ (Unkräuter) auf vielfach doppelbödige Weise dagegen. Die Bilddialoge zeigen hier blühendes, rankendes Unkraut, dort männliche Paare voller Energie. „Meine Figuren“, sagt Kolata selbst, „sind voller Leben, Freude und Liebe, was im Gegensatz zu ihrer Realität und ihrer gesellschaftlichen Ausgrenzung steht.“ Diese Haltung ist in jedem der Werke unmittelbar zu erleben – großartig!
Manche und mancher werden sich inmitten von Kolatas Figuren voll donnernder Lebenskraft an frühe Bilder von Rainer Fetting erinnern, an das Feuerwerk Leben, das Fetting von Mitte der 1970er an gemeinsam mit Salomé und anderen Malern und Musikern in (West-)Berlin entzündete.
50 Jahre später sind wir ungeachtet aktueller Dauerdebatten über geschlechtliche Identitäten von solch homosexuellem Selbstbewusstsein offenbar weit entfernt. „Was die Toleranz gegenüber queeren Menschen angeht“, sagt Thomas Fuchs, „scheint selbst hierzulande nichts endgültig erreicht, sondern muss immer wieder eingefordert werden.“ Rainer Fetting, inzwischen über 70, hat Thomas Fuchs und Andreas Pucher für „Intimacy“ das passende Bild anvertraut: „Nile und Slava“, 2022 entstanden, zeigt ein Paar halb versteckt im Park. Noch immer. Schon wieder.
Eine Entdeckung sind die Bilder des in Brooklyn lebenden Dylan Hurwitz. Strand-Blicke durch eigenwillig gekreuzte Beine. Ebenso geometrischen Körpern gleich, wie sie auch pflanzenhaft Teil der Landschaft werden. Hurwitz wird man sich ebenso merken müssen wie Bartosz Kolata und Navot Miller.
Eher eingängig erscheinen in diesem Panorama die Liebenden-Porträts von TM Davy. Aber dann ist da noch Logan T. Sibrel. Auch er lebt in Brooklyn, auch er hat seine ganz eigene Sprache für das Intime gefunden. Fast Kubisches gibt seinen Körpern die notwendige Distanz, um Nähe zu entwickeln. Eine Position, mit der sich der „Intimacy“-Kreis zurück zu Patrick Angus ganz selbstverständlich schließt. „Intimacy“ ist ein Kunstereignis im besten Sinn.
Wer?
Zu sehen sind in der Ausstellung „Intimacy“ in der Galerie Thomas Fuchs (Stuttgart, Reinsburgstraße 68A) Werke von Patrick Angus, Stephen Bron, TM Davy, Rainer Fetting, Dylan Hurwitz, Bartosz Kolata, Navot Miller und Logan T. Sibrel.
Wann?
„Intimacy“ ist zu sehen bis zum 11. Februar – Dienstag bis Freitag 13 bis 19 Uhr und Samstag 11 bis 16 Uhr. Eröffnung ist am Freitag, 13. Januar, von 18 bis 21 Uhr.