Die Kreiskliniken vereinbaren einen Austausch mit dem Ziv Medical Center in Israel. Dort werden seit Jahren syrische Bürgerkriegsopfer behandelt.

Ludwigsburg - Es ist durchaus möglich, dass im kommenden Jahre Ärzte der Kreiskliniken Ludwigsburg-Bietigheim syrische Bürgerkriegsopfer behandeln. Die beiden Partnerkreise Ludwigsburg und Oberes Galiläa in Israel haben am Dienstag zusammen mit den Kreiskliniken einen Austauschvertrag mit dem Ziv Medical Center unterzeichnet. Das Krankenhaus in Zefat unweit des Sees Genezareth ist international bekannt geworden, weil es seit Jahren Verletzte des syrischen Bürgerkriegs mit hohem medizinischem Aufwand behandelt – und das alles, ohne dafür Geld zu nehmen.

 

Rückblende: Ende 2014. Jörg Martin, Chef der Regionalen Kliniken-Holding, zu der auch die fünf Kreiskrankenhäuser gehören, ist mit 18 anderen Besuchern aus dem Kreis Ludwigsburg zu Gast im Ziv Medical Center. Dort berichtet der Chefarzt Anthony Luder über unvorstellbar schlimm verstümmelte Menschen, die an der syrisch-israelischen Grenze von Patrouillen aufgegabelt und ins rund 30 Kilometer entfernte Zefat gebracht werden.

Das anschließende, lang andauernde Schweigen der Ludwigsburger Delegation spricht Bände. Spontan beschließt Martin, aus dem Besucherprogramm auszuscheren, um die Klinik intensiver zu begutachten. „Ich war und bin schwer beeindruckt“, sagt Martin heute, ein halbes Jahr später. Einerseits werde in Zefat Medizin auf modernstem Niveau angeboten, andererseits herrsche – auch wegen der Bürgerkriegsopfer – dort eine Atmosphäre „wie in einem angelsächsischen Emergency Room“. Diese Kombination könne hospitierenden Ärzten und Pflegekräften neue Perspektiven und eine Erweiterung des Horizonts bescheren. „So etwas relativiert in vielen Punkten unser Denken“, sagt Martin.

Dass die neue Partnerschaft schon so schnell unterzeichnet wurde, ist neben Martin maßgeblich einem zweiten Mann zu verdanken: Salman Zarka. Der neue Chef des Ziv Medical Center ist bemüht, die syrischen Bürgerkriegsopfer nicht allein in den Vordergrund zu rücken. Dennoch räumt er ein, dass die Behandlung von mehr als 600 teils schwer Verletzten in den vergangenen Jahren „ein großes wirtschaftliches Problem“ darstelle. Sein Vorgänger bezifferte die Kosten vor gut einem Jahr auf mehr als drei Millionen Euro – Geld, das aus der Staatskasse Israels für die ehemaligen Erzfeinde aus Syrien aufgewendet wird. „Vielleicht säen wir damit eine kleine Friedenssaat“, sagt der scheidende Colonel des israelischen Militärs, „Ich bin da eben ein Träumer.“

Somit ist es als Kompliment zu verstehen, wenn Zarka den Ludwigsburger Landrat Rainer Haas und seinen Kollegen Giora Salz aus dem Oberen Galiläa bei der Unterzeichnung des Abkommens am Dienstag ebenfalls als „Träumer“ bezeichnet. „Ich bin sehr stolz und glücklich über diesen Baustein der Partnerschaft“, sagt Haas.

Auch mit Blick auf die nackten Zahlen ist die Kooperation spannend: im Ziv Medical Center werden von 1200 Mitarbeitern jährlich rund 200 000 Patienten ambulant behandelt. Zum Vergleich: am Klinikum Ludwigsburg arbeiten rund 4000 Menschen, die Zahl der ambulanten Fälle liegt jedoch bei knapp 170 000. Die Zahl der Geburten pro Jahr liegt in Zefat bei 3500 – das ist in etwa so viel wie an den Häusern in Ludwigsburg und Bietigheim zusammen.

Erste Interessenten für den Austausch gibt es laut der Klinikleitung bereits: Christian Wolpert, Chefarzt für Kardiologie am Klinikum, habe bereits signalisiert, dass er sich einen ein Jahr währenden Personalaustausch vorstellen könnte. Besonders interessiert zeigte sich Salman Zarka an der Reha-Abteilung und der Orthopädietechnik an der Klinik Markgröningen. Kein Wunder: am Ziv Medical Center hat das Personal fast täglich mit Patienten zu tun, bei denen sie versuchen müsssen, Amputationen zu vermeiden. „Wir können viel von einander lernen“, sagt Zarka.