Kloschüsseln, Lampen, Ventilatoren, Spielplätze – nach dem Abzug der US-Streitkräfte werden die Liegenschaften der früheren US-Siedlung in Mannheim „konstruktiv ausgeschlachtet“. Die Abnehmer sind begeistert von der Fülle des Angebots.

Mannheim - Etwa drei Stunden haben die Fußballer vom Sportverein Unterflockenbach (Kreis Bergstraße) – unter ihnen auch ein Schreiner – gebraucht, dann war die Küche des früheren amerikanischen Jugendhauses im Mannheimer Benjamin-Franklin-Village fürs Vereinsheim ausgebaut. Nach zwei weiteren Vormittagen hatte das Team mit zehn Mann auch die große Dunstabzugshaube und eine komplette Lüftungsanlage demontiert; die sollen künftig im Grill-Pavillon und in den Umkleideräumen des SV für frische Luft sorgen. „Alles haben wir zu einem guten Preis bekommen“, sagt Markus Müller, der Sportliche Leiter des Clubs. 1600 Euro inklusive Mehrwertsteuer hat der Verein bezahlt. „Und die Sachen haben Qualität“, sagt er erfreut.

 

Herbert Rückert, der Vorsitzende des Mannheimer Tierschutzvereins, war schon seit langem auf der Suche nach günstigen Unterstellmöglichkeiten für sein Clubgelände. Weil er und seine Mitglieder sich noch immer um die vielen Katzen kümmern, die Angehörige der US-Army zurückgelassen haben, hat er vor kurzem mitbekommen, dass auf den alten Grillplätzen dort stabile Stahlpavillons zu haben sind. Gleich vier von ihnen hat er nun erstanden. Eine Fachfirma hat sie inzwischen nebeneinander auf dem Clubgelände aufgebaut. „Da haben wir jetzt einen 20 Meter langen Fahrzeugunterstand, den wir auch für Veranstaltungen nutzen können – das ist eine richtig gute Sache geworden, die wir uns sonst gar nicht hätten leisten können“, sagt Rückert. „Wir haben dann gleich auch noch vier Bänke und einen Tisch genommen.“

Der Künstler Philipp Morlock hat die Initiative ergriffen

Vor drei Monaten haben in der früheren US-Siedlung Benjamin-Franklin-Village die Arbeiten für den Bau eines neuen Stadtviertels begonnen. Ihm müssen in den nächsten Monaten und Jahren viele der bisherigen US-Wohnblocks, Hallen und Anlagen weichen. Die Bagger waren schon bestellt, als die städtische Projektgesellschaft in letzter Minute beschloss, vor Ort nicht nur geschichtsträchtige Souvenirs der Amerikaner – von der Kapellenglocke bis zum Wandgemälde – für ein kleines Museum zu retten, sondern so viel wir möglich vom „American way of life“ zu erhalten.

Die Initiative dafür hat ein Künstler ergriffen. Der Bildhauer Philipp Morlock hat ein Atelier auf dem Gelände der benachbarten Taylor Kaserne. „Als der Abriss auf Franklin los ging, habe ich gesagt: da geht einfach zuviel verloren, was man noch brauchen kann“, erzählt er. „Mir war wichtig, dass wir Dinge erhalten, die man weiter verwenden kann“. Im Rathaus sei man anfangs davon wenig begeistert gewesen, verrät er. Doch der Konversionsbeauftragte der Stadt, Konrad Hummel, wagte den Versuch dann doch – und war schnell überzeugt von der Idee. „Wir schlachten die Siedlung konstruktiv aus. Es soll nicht alles unter den Hammer“, lautet seither die Devise.

Die Einbauküchen waren eine besonders begehrte Ware

Als erstes waren die Spielplätze dran. Gut hundert bunte Klettertürme, Rutschen und Schaukeltiere wurden zu etwa einem Zehntel des Neupreises Kindergärten, Schulen und anderen sozialen Einrichtungen angeboten; sie fanden begeisterte Abnehmer. Danach wurden bestens erhaltene Einbauküchen übers Internet und durch Mundpropaganda für 350 Euro zum Selbstausbau angeboten. Ein Stuttgarter Mietshausbesitzer hat gleich acht davon mitgenommen. Inzwischen hat Morlock im Auftrag der Konversionsgesellschaft mit einem Kompagnon in einer früheren Tennishalle einen richtigen „Franklin Store“ aufgebaut. Dort stapeln sich die Waren aus den Abbruchblocks: Da gibt es Regale voller Lampen, Ventilatoren, PVC-Platten für eine ganze Sporthalle, Waschbecken aus Keramik oder Edelstahl samt Unterschränken, Armaturen für Bad und Dusche, Kloschüsseln gleich reihenweise.

Wer sucht, findet Haustelefone oder ganze Briefkastenanlagen. Fernwärmeübergabestationen für Mehrfamilienhäuser sind ebenso da wie Sicherungskästen und Heizkörper, dazu Wasserspender für Kinder und Wickeltische – alles zu moderaten Preisen, aber im originalen Ausbauzustand, ungereinigt. „Man muss die Sachen nur gründlich putzen, dann sind sie wunderbar“, versichert Laura Todaro, die Sprecherin der städtischen Gesellschaft.

Bisher sind die Sachen nur nach Absprache verkauft worden, jetzt sind verkaufsoffene Samstage geplant: am 16. und am 23. Juli und dann nach den Sommerferien. Sorgen, ihm könnte der Nachschub ausgehen, hat Morlock nicht. Er hat schon Fertiggaragen, Brandschutztüren und meterweise Zäune verkauft. „Es kommt jeden Tag etwas Neues rein – unser größtes Problem ist, dass es immer schnell, schnell gehen muss vor dem Abbruch und wir längst nicht alles ausbauen können“, sagt er.