Auswärtsschwäche des VfB Stuttgart Der schwäbische Punktelieferant

In Auswärtsspielen wie auf Schalke geben Dan-Axel Zagadou und der VfB Stuttgart in dieser Saison ein schlechtes Bild ab. Foto: Baumann

Will der VfB Stuttgart nicht absteigen, muss die Mannschaft ihre 21 Partien andauernde Sieglos-Serie in der Fremde schleunigst beenden. Doch wie soll das gehen? Ein Mentaltrainer erklärt, wo er ansetzen würde.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Manche Serien wollen scheinbar nie enden. Das Auswärtsspiel des VfB Stuttgart beim FC Schalke 04 war die 21. sieglose Partie in der Fremde in Folge. Dabei gab es zumindest die leise Hoffnung, dass nach dem Ende des heimischen Gegentor-Fluchs – das 3:0 gegen den 1. FC Köln war das erste Zu-Null-Spiel nach 31 Anläufen – auch die vermaledeite Auswärtsserie endlich reißen möge. Pustekuchen.

 

Mit viel Sarkasmus reagierten die leidgeplagten Anhänger – 5000 machten sich am vergangenen Wochenende auf nach Gelsenkirchen – auf die Aussagen von Sportdirektor Fabian Wohlgemuth. Man habe nicht mit der Entschlossenheit der Gastgeber gerechnet, hatte dieser nach der Partie bemerkt und damit für reichlich Kopfschütteln gesorgt. Mit was denn sonst? Dass die Schalker beim Wimpeltausch die drei Punkte auf dem Silbertablett überreichen?

Wo will der VfB noch gewinnen?

Stefan Reutter verfolgt den VfB schon länger, er hat früher selbst in der Jugend auf dem Wasen gekickt. Inzwischen arbeitet der 46-Jährige als Mentaltrainer. Jüngst hat er den VfB beim Spiel in Freiburg (1:2) unter die Lupe genommen. Was ihm dabei auffiel, erklärt einiges.

„Mir war schon nach dem Warmmachen klar: Das Spiel gewinnt der VfB nicht“, erzählt Reutter. „Bei den Freiburgern herrschte eine ganz andere Körpersprache, eine ganz andere Dynamik und Haltung. Die sind schon mit breiter Brust aufs Feld gelaufen.“ Den Stuttgartern hingegen war die Angst vor dem neuerlichen Verlieren ins Gesicht geschrieben. Dass am Ende eine eher unglückliche Niederlage mit zwei VAR-Entscheidungen daraus wurde – geschenkt.

Unabhängig von den trostlosen Ergebnissen haben die schwäbischen Punktelieferanten unter Bruno Labbadia noch kein durchgängig überzeugendes Auswärtsspiel abgeliefert. Solide Auftritte in Freiburg und in Leipzig sowie zwei ordentliche zweite Halbzeiten in Hoffenheim und auf Schalke sind zu wenig, um im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga zu bestehen. Da hilft es auch nicht, dass die statistische Diskrepanz bei Werten wie Laufleistung, Zweikampfhärte oder Torgefahr in der Heim-/Auswärtsbilanz gegenüber der Matarazzo-Ära kleiner geworden ist.

Mindestens fünf Siege sind noch notwendig

Fünf Siege werden aus den verbleibenden zwölf Partien voraussichtlich nötig sein, um drin zu bleiben. Dafür werden die sechs Heimspiele kaum reichen. Am Samstag (18.30 Uhr) kommt der FC Bayern, der ebenso wenig Punkte verspricht wie der Zweitplatzierte Borussia Dortmund am 15. April. Auswärts geht es für den Tabellen-15. noch zweimal nach Berlin (Union und Hertha) sowie nach Frankfurt, Bochum, Augsburg und Mainz.

Wo sollen da die Siege her?, fragt man sich angesichts der nun 14 Monate andauernden Durststrecke fernab der Heimat. Beim 2:0 in Wolfsburg im Dezember 2021 durfte der weiß-rote Anhang letztmals einen Auswärtssieg bejubeln. Das aber nicht einmal vor Ort: Es war noch Pandemie-Zeit.

Nur Schalke noch schlechter: Die Knappen warten seit 38 Spielen auf einen Auswärtssieg

Mit der Serie von 21 erfolglosen Versuchen arbeitet sich der VfB in der Rangliste der längsten Serien der Bundesliga-Geschichte langsam nach oben. Noch thront einsam der FC Schalke 04 an der Spitze, der seit nunmehr 38 Bundesligaspielen auf einen Dreier auf des Gegners Platz hinarbeitet. Eine ähnliche Seuche erlebte der VfB nur in den 70er Jahren (28 Spiele), die 1975 in den ersten Abstieg mündete. Die Auswärtsschwäche war auch beim letzten Abstieg das Problem. Ganze sechs Punkte sammelte der VfB 2018/19.

Folgt nun der nächste Niedergang? Mit Blick auf die zuletzt so scheuen Auswärts-Auftritte empfiehlt Experte Reutter dem Trainerteam „eine neue Form der Inspiration“. Psychologisch betrachtet seien vor allem die Minuten vor dem Anpfiff entscheidend, wenn es darum geht, Spannung aufzubauen und dem Gegner von der ersten Sekunde an mit Mut und Energie die Stirn zu bieten.

„Geht raus, ärgert die und genießt, dass ihr hier Bundesliga spielen dürft!“

Gerade wie in einem Stadion auf Schalke. „Ich würde den Jungs sagen: Habt Ihr gehört, wie laut das ist? Sensation! Geht raus, ärgert die und genießt, dass ihr hier Bundesliga spielen dürft!“ Dem ehemaligen Fußballer geht es in der aktuellen VfB-Mannschaft aber viel „zu melancholisch, zu statisch, zu systemtreu“ zu. Entsprechend verliefen viele Auswärtspartien – speziell die Anfangsphase beim Schalke-Spiel.

Mimik, Gestik, Körperlichkeit: Elementare Dinge, bei denen Mentaltrainer Reutter als Erstes ansetzen würde. Damit die Mannschaft beim nächsten Auswärtsspiel nicht wieder von der Wucht des Gegners überrascht wird.

Längste Auswärtsserien ohne Sieg

Bundesliga
FC Schalke 04 38 Spiele (7.12.2019 bis heute)Karlsruher SC 35 Spiele(13.3.1976 bis 21.2.1981)Eintracht Frankfurt 34 Spiele(3.9.1985 bis 25.8.1987) FC St. Pauli 34 Spiele(17.9.1977 bis 9.9.1989)Hannover 96 34 Spiele(1.3.1969 bis 27.2.1971)

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