Nachdem die Regierung große Teile Norditaliens abgeriegelt hat, ist auch die Provinz Rimini Sperrbezirk. Die Stuttgarter Auswanderin Alisha Hummel darf Misano plötzlich nicht mehr verlassen. Das Brot im Gefrierfach kommt ihr auf einmal sinnvoll vor.

Misano - Sie lebt jetzt also in der „Zone Rot“, wie es auf der städtischen Webseite des Ortes Misano in der italienischen Provinz Rimini, Region Emilia-Romagna, heißt. Alisha Hummel musste realisieren, was es bedeutet, plötzlich wegen des Coronavirus unter Quarantäne zu stehen, plötzlich einer von 16 Millionen Menschen zu sein, die ihren Heimat-, in ihrem Fall Wahl-Heimatort nicht mehr ohne triftige Gründe verlassen zu dürfen. Bis zum 3. April, kündigte Italiens Regierungschef Guiseppe Conte an, werde sich daran in Norditalien auch nichts ändern. Am Montagabend wurde das Reiseverbot auf ganz Italien ausgedehnt. „Das größte Problem wird wahrscheinlich irgendwann, Essen zu bekommen“, sagt die 35-jährige Auswanderin aus Stuttgart.

 

Von einem Tag auf den anderen habe sich viel verändert, wir erwischen Sie über Whatsapp beim Spazierengehen. „Die Leute tragen wieder vermehrt Atemschutzmasken“, berichtet Hummel, die Krankenhäuser seien überfüllt, vor allem mit älteren Leuten, Matratzen und Betten stünden auf den Fluren. Von Bekannten habe sie gehört, wie viele Italiener noch schnell mal nach Süditalien flüchten wollten, zu Verwandten, in Ferienhäuser, aber in Mailand angekommen den Bahnhof bereits abgeriegelt vorgefunden hätten. „Mein Deutschlandbesuch Ende des Monats ist wohl erst mal gestrichen“, sagt Alisha Hummel.

Froh über das Brot im Gefrierfach

Während sie der Coronavirus-Panik bislang noch eine gute Portion Humor entgegensetzte, muss sie jetzt schon schlucken. Was, wenn es nichts mehr zu essen gibt? „Beim Supermarkt gegenüber war früher zu manchen Tageszeiten keine Menschenseele“, sagt Hummel. Heute sei es immer voll. Plötzlich ist die junge Mutter froh über das Brot im Gefrierfach, das sie – ganz italienisch – notfalls mit Öl und Salz zu verzehren gedenkt. Ganz verloren hat sie ihren Humor aber doch nicht: „Vielleicht sollte man sich ein Huhn und eine Ziege holen für Eier und Milch.“

Abseits der Sorgen um Lebensmittel beschäftigt Alisha Hummel auch die Frage, was die Quarantäne denn nun genau für sie bedeutet. „Wenn ich es richtig verstanden habe, darf ich jetzt zwar noch bis nach Rimini fahren, aber nicht weiter.“ Das für Motorsport bekannte Misano verhalte sich zum nächsten größeren Städtchen wie Kornwestheim zu Ludwigsburg, Rimini wäre dann ungefähr Stuttgart. Ein ziemlich eingegrenzter Lebensraum. Hummel hofft jetzt auf eine Sonderarbeitserlaubnis, die den Radius vergrößern könnte. Sie wird wohl nicht die einzige sein.

Gefangen im Paradis

5900 nachgewiesene Infektionen und über 230 Todesopfer waren für Italiens Regierung offenbar genug, um zu solch drastischen Maßnahmen zu greifen, deren Folgen für das öffentliche Leben noch kaum zu überblicken sind. Aktuell heißt es, dass das Dekret alle kulturellen, sportlichen und religiösen Veranstaltungen in der betroffenen Region Norditaliens verbiete. Auch Museen, Kinos, Theater und Diskotheken müssen zunächst geschlossen bleiben. Und nun ruht das öffentliche Leben sogar in ganz Italien.

Auch wenn Hummel vorerst festsitzt und das Freizeitangebot eingeschränkt ist: Andere machen dort Urlaub, wo sie lebt. Misano liegt direkt am Strand, an der Adria. Den Eindruck, dass sie glücklich ist, gefangen im Paradies zu sein, macht Alisha Hummel aber nicht.