Bezahlbares Bauen ist derzeit ein großes Thema. Ein Einfamilienhaus, bei dem genau das die Zielsetzung war, ist als eines von insgesamt 19 Objekten im Rems-Murr-Kreis von der Architektenkammer Baden-Württemberg als beispielhaft ausgezeichnet worden. Weiterer Preisträger: eine Feuerwache.

Leserredaktion : Kathrin Zinser (zin)

Leutenbach/Winnenden - Daran, dass die Menschen vor ihrem Haus in Leutenbach stehen bleiben und schauen, hat sich Familie Müller inzwischen gewöhnt. Das Gebäude mit der markanten Gaube ist nicht nur optisch außergewöhnlich, sondern auch deshalb, weil das Einfamilienhaus mit einem Budget von nur 337 000 Euro realisiert worden ist. „Dass wir mit einem unserer finanziell kleinsten Projekte diese Aufmerksamkeit erhalten, ist etwas ganz Besonderes für uns“, sagt Architekt Florian Stocker über die Auszeichnung der Architektenkammer Baden-Württemberg.

 

Auf 184 Quadratmetern und vier Etagen leben Lorena und Johannes Müller mit ihren beiden kleinen Kindern. „Das Herzstück ist der erste Stock“, sagt Johannes Müller. Dort gehen Küche und Wohnzimmer ineinander über, eine markante Betontreppe führt nach oben zu den Schlafzimmern, eine große Fensterfront erlaubt den Blick in den Garten.

Rohbau gleich Ausbau

Die Wände bestehen aus Blechsandwichelementen, die normalerweise im Industriehallenbau zum Einsatz kommen, für das Treppengeländer wurden Edelstahlrohre verwendet, die eigentlich hätten entsorgt werden sollen. „Die stammen aus einer Firma, die ihren Standort hier geschlossen hat“, sagt Müller. Viele Arbeiten im Haus hat der 35-jährige Industriemechaniker mit Unterstützung seines Vaters selbst erledigt, etwa die Wasserleitungen oder die Fliesen im Bad verlegt.

„Rohbau gleich Ausbau“ lautete die Devise von Seiten des Architekturbüros – das bedeutet, dass schon mit dem Rohbau fertige Oberflächen hergestellt werden. Gut sichtbar ist das beispielsweise an den Zimmerdecken, die aus bloßem Beton bestehen und ohne Tapete auskommen. „Wir wollten ausprobieren, wie weit wir kommen. Mit wie wenig Geld kann ein lebenswertes Haus entstehen?“, beschreibt Architekt Stocker den Ansatz des so genannten Minimalhauses. Das habe ein großes Vertrauen zwischen ihm und der Bauherrschaft sowie konsequente Disziplin erfordert. Stocker schätzt, dass die Einsparungen im Vergleich zu Häusern in üblicher Bauweise im Bereich von 250 000 bis 500 000 Euro liegen. „Das Haus ist maßgeschneidert. Es passt zu unserem Leben“, sagt Johannes Müller. Davon zeugt auch die Kletterwand im Garten – für die Hobbys der Familienmitglieder gibt es genug Platz.

Die Feuerwache ist bei den Ehrenamtlichen beliebt

Nur wenige Kilometer entfernt vom Minimalhaus steht ein weiteres Gebäude, das von der Architektenkammer als beispielhaft ausgezeichnet wurde: Es ist das Feuerwehrhaus Zipfelbach in Winnenden, gut erkennbar durch die roten Ziffern „112“ am 13,50 Meter hohen Übungsturm. Die Jury lobt in ihrer Begründung unter anderem, dass der Funktionsbau sowohl in funktionaler als auch in gestalterischer Hinsicht beispielhaft umgesetzt worden sei. Von außen fällt vor allem die Holzfassade auf, im Innern wechseln sich warme Farben – Rot- und Brauntöne – mit Sichtbetonflächen ab. Die Schulungs- und Gemeinschaftsräume haben großzügige Fenster.

„Wir sind hier eingezogen und haben uns sofort wohlgefühlt“, sagt Harald Ehring, der stellvertretende Abteilungskommandant der freiwilligen Feuerwehr. Mit dem Einzug in die neue Wache 2016 musste sich auch die Truppe neu finden – die Feuerwehrleute kamen von den Wachen in Breuningsweiler, Hanweiler und der Stadtmitte. „Sie stehen voll hinter dem Haus und gehen sorgsam mit der Einrichtung um“, sagt Ehring über die 47 Männer und drei Frauen, die hier ehrenamtlich ihren Dienst verrichten.

Zweckgebäude mit Seele

Susanne Konsek hört das gern. Die Architektin des Stuttgarter Architekturbüros Drei Architekten hat die Feuerwache entworfen. „Die Auszeichnung der Architektenkammer ist etwas ganz Tolles für mich, weil das Feuerwehrhaus das erste Projekt seit langem war, das ich von Anfang bis Ende geplant habe“, sagt Konsek, die lange in Teilzeit gearbeitet hat. Sie lobt die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Winnenden. Die Lage des Grundstücks sei außergewöhnlich: „Hier konnten wir die Ausblicke auf die Weinberge in der Umgebung in die Architektur des Gebäudes integrieren“, sagt Konsek. Deutlich wird das auf der Terrasse im ersten Stock. „Das ist unser Highlight“, schwärmt Ehring. Für ihn wertet der imposante Bau auch das Ehrenamt auf.

„Es war wichtig, diesem Zweckgebäude eine Seele zu geben. Es sollte ein Ort werden, an dem man sich gerne aufhält und zur Ruhe kommen kann zwischen stressigen Einsätzen“, erläutert Konsek ihre Herangehensweise. Dabei musste sie stets die gesetzlich für Feuerwachen vorgeschriebenen Normen berücksichtigen. Da im Feuerwehrhaus Zipfelbach die Drehleiter stationiert ist, kommen nun auch die Besatzungen anderer Wachen in das ausgezeichnete Gebäude, um dort für Einsätze zu üben.