Han Söhnker war, vor allem als Nachkriegsschauspieler, im Charakterfach ein Liebling der Deutschen. Und sie hatten allen Grund dazu, wie man jetzt weiß, denn auch als Mensch war Hans Söhnker: untadelig. Nun gehört er in Yad Vashem zu den Gerechten unter den Völkern.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Charakterschauspieler, sagt man das noch? Hans Söhnker jedenfalls, 1903 in Kiel geboren, 1981 in Berlin gestorben, ist einer gewesen beziehungsweise hat sich zu einem durchgeläutert, an der Bühne wie im Film, wo er in den dreißiger Jahren mit einem Léhar-Stoff debütierte: im „Zarewitsch“, der vor allem schattenloses Lächeln verlangte. Söhnker aber hatte, und das sollte nun eigentlich sein Markenzeichen werden, noch ein anderes, sehr ernstes Gesicht, mit dem er die Handlung, wenn es nottat, in einem Moment wesentlich werden lassen konnte.

 

Wie, zum Beispiel, im Film des Regisseurs Helmut Käutner, „Große Freiheit Nr. 7“, wo er – immer den Hoppla-jetzt-komm-ich-Hans-Albers im Nacken – als Hafenarbeiter Georg Willem das Mädchen Gisa für sich gewinnt, weil er ein Fels ist, auf den man bauen kann, selbst wenn es ringsum tost und alles in Stücke geht.

Tatsächlich wurde der Film ja auf Trümmern gedreht, und Hans Söhnker spielte mit dem Rücken zur Wand. In seinem Wochenendhaus am Wünsdorfer See nämlich war von Januar 1945 bis Kriegsende der Jude Kurt Hirschfeld versteckt.

Erst ein paar Schuhe

Dessen Cousin, Walter Frankenstein, lebt noch. Er ist 94 Jahre alt, wohnt in Stockholm und war neben der Urgroßnichte von Hans Söhnker in Berlin dabei, als dieser jetzt von der israelischen Holocaustgedenkstätte Yad Vashem zu einem Gerechten unter den Völkern ernannt wurde.

Der Ehrentitel zeichnet Menschen aus, die Juden während der Naziherrschaft in entscheidender Form geholfen haben. Weltweit sind das über 27 000, in Deutschland gut 600. Söhnker wurde – wie der ebenfalls ausgezeichnete ehemalige Kommunist und spätere DDR-Staatsanwalt Heinz Gützlaff, der 1961 gestorben ist – von Frankenstein persönlich vorgeschlagen.

Söhnkers Bekanntschaft mit dem jungen Orthopäden Hirschfeld ergab sich, als dieser sich auf der Straße als sogenannter illegaler Jude an ihn wandte. Söhnker überließ ihm ein paar Schuhe. Heinz Gützlaff wiederum, teilweise selber interniert, gab Hirschfeld seine Kennkarte, in die das Foto von Hirschfeld hineinmontiert wurde. Damit war ihm eine Weile geholfen, bis nur noch das Versteck am Wünsdorfer See infrage kam. Söhnker hat es oft genutzt.

Von all diesen Dingen war im Nachkriegsdeutschland natürlich niemals die Rede, und Hans Söhnker wäre der Letzte gewesen, der auf sein couragiertes Verhalten hingewiesen hätte. Erst nach 1945 schien er spielen zu können, was er wirklich wollte, nämlich Charaktere mit Tiefgang, vor allem auf dem Theater, am liebsten Shakespeare und am allerliebsten unter dem Regisseur Boleslaw Barlog im Berliner Schlossparktheater. Dass er in Fernsehserien, sei es im „Forellenhof“ oder in den Zirkusgeschichten „Salto Mortale“, jeweils die Direktion verkörperte, war so zufällig nicht.

Söhnker galt immer als die „Traumausgabe des guten Deutschen“, wie es in der Stuttgarter Zeitung zu seinem Tod hieß, und als Typ, „dem man Vertrauen entgegenbrachte“. Wohlgemerkt: In Rede standen da stets der Schauspieler und seine Rollen, nicht sein reales Leben. Bei Hans Söhnker aber hat, wie man jetzt weiß, das eine mit dem anderen wohl doch etwas mehr miteinander zu tun gehabt als gemeinhin üblich.

Söhnke war ein Kümmerer

Dass Söhnker ein „Kümmerer“ war mit dem Herz am richtigen Fleck , belegte im vergangenen Sommer bereits ein Interview mit dem mittlerweile 90 Jahre alten Schauspieler Hardy Krüger, der 1943 neben der Halle, in der „Große Freiheit Nr. 7“ produziert wurde, in „Junge Adler“ als Halbstarker Propaganda drehte. Krüger war Sohn von Nazieltern, blonder als blond und sehr fanatisch. Söhnker unterhielt sich mit ihm und riskierte viel, als er nach einiger Zeit erklärte, Hitler sei ein Verbrecher und der Krieg längst verloren. Söhnker wurde Hardy Krügers Ersatzvater. Charakterschauspieler? Kann man wohl sagen.