Eigentlich tun Roboter nur, was man ihnen sagt. Ludovic Righetti vom Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme in Tübingen entwickelt jedoch Maschinen, die sich in unbekanntem Terrain zurechtfinden. Dafür erhält er ein Stipendium über 1,5 Millionen Euro.

Tübingen - Manchmal ärgert Ludovic Righetti Roboter – im Dienste der Wissenschaft versteht sich. Er gibt ihnen hinterrücks einen Schubs, wackelt an der Bodenplatte, auf der sie stehen, oder verschiebt den Gegenstand, den der Roboter vom Tisch greifen soll. Und dann freut sich der 33-jährige Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für intelligente Systeme in Tübingen, wenn sein Gegenüber die Aufgabe trotzdem meistert. Denn das ist seine Forschung: Er will Roboter dazu befähigen, sich autonom zu bewegen. Dafür hat er jüngst eines der begehrten Start-Stipendien des Europäischen Forschungsrates (ERC) bekommen. Die Förderung in Höhe von 1,5 Millionen Euro erlaubt ihm, eine eigene Arbeitsgruppe aufzubauen, die im Juni starten soll.

 

Righettis Vision sind Roboter, die sich in jeder Situation weitgehend alleine zurechtfinden und damit den Menschen eine echte Hilfe sein können. Das ist beispielsweise in Katastrophenszenarien denkbar, die naturgemäß nicht vorhersehbar sind. Deshalb können Menschen Robotern für solche Einsätze wenig mit auf den Weg geben. Bislang müssen die Maschinen aber recht genau programmiert sein, sie müssen in der Regel wissen, welches Gelände sie vorfinden oder wo in einem Raum Möbel stehen. Nach einer Katastrophe ist aber häufig vieles zerstört, was vorher noch vorhanden war. Fukushima habe gezeigt, dass die Technik bei Weitem nicht auf so etwas vorbereitet ist, sagt Righetti. Aber gerade wenn es um Radioaktivität oder auch um tödliche Infektionskrankheiten wie Ebola geht, wäre es manchmal gut, wenn sich Maschinen anstatt Menschen im gefährlichen Umfeld bewegten.

Wie gefragt seine Arbeit ist, erfuhr der Informatiker bereits nach seiner Doktorarbeit in Lausanne, die vom europäischen Robotik-Forschungsnetzwerk mit dem Preis der besten Dissertation des Jahrgangs im Fachgebiet Robotik gewürdigt wurde. Danach forschte er an der University of Southern California in der Arbeitsgruppe seines Mentors Stefan Schall, Professor für Informatik, Neurowissenschaften und Biomedizinische Technik. Als dieser 2011 als einer der Direktoren ans Max-Planck-Institut (MPI) nach Tübingen wechselte, folgte Righetti ihm.

Stolz wie ein Vater auf die ersten Schritte des Roboters

„Die Bedingungen für meine Forschung sind toll hier“, sagt er. Einige Roboter seien extra für das Institut hergestellt worden. Beispielsweise Athena, ein Neuzugang, dessen Bewegungen hydraulisch gesteuert werden, was noch eine Seltenheit in der Robotik ist. Im Bestand des MPI findet sich auch Athenas Bruder Hermes und Apollo, ein elektrisch betriebener Roboter. Allein die Kalibrierung von Athena dauert Tage, schließlich sollen sich die Prototypen möglichst exakt bewegen. Im Anschluss geht es darum, ihnen Lernfähigkeit beizubringen, das „Gehirn“ zu gestalten, wie Righetti sagt. Die Humanoiden müssen beispielsweise lernen, in Bildern, die sie mit einer Kamera aufzeichnen, Objekte zu erkennen. „Die nächste Schwierigkeit ist zu entscheiden, was sie damit tun sollen“, sagt Righetti, „und das dann umzusetzen.“ Prozesse, die uns Menschen so einfach vorkommen, sind sehr kompliziert. Der junge Forscher ist durch seine Arbeit mit Maschinen auch ein genauer Menschenbeobachter geworden: sie sind sein Vorbild. „Leider verstehen wir noch zu wenig vom Menschen, um ihn in der Software nachzubilden.“

Righettis Arbeitsgruppe gehört zu den führenden Teams weltweit, wenn es um die Entwicklung autonomer Roboter geht. Die Forschung steht noch am Anfang: „Wir haben hier einen der besten humanoiden Roboter der Welt, aber allein ihn dazu zu bringen, dass er sich frei bewegen kann, ist wahnsinnig schwierig.“ Den Begriff „künstliche Intelligenz“ kann er deshalb nicht leiden. „Maschinen sind ziemlich dumm, sie entscheiden nichts, sie tun nur, was ihr Programmierer sagt“, sagt Righetti. „Wir wissen nicht einmal, ob es je menschliche Intelligenz in Robotern geben wird.“ Und allen, die Ängste vor intelligenten Maschinen beschwören, die eines Tages die Menschen beherrschen, versichert er: „Selbst wenn das möglich sein sollte, wird es in vielen hundert Jahren nicht geschehen.“

Righetti freut sich eher über die kleinen Schritte. Einer seiner „Schützlinge“, ein humanoider Roboter in Kalifornien, hat gerade die Schubs-Prüfung bestanden. Righetti zeigt einen Film, wie ein Mitarbeiter den Roboter von allen Seiten einmal anstößt. Der Roboter rechnet in Millisekundenschnelle, wie er die Bewegung ausgleichen muss, und bleibt stehen. „Gestern hat er seinen ersten Schritt gemacht“, sagt Righetti stolz wie ein Vater bei den ersten Schritten seines Kindes. Diese ersten Schritte sind ein großer Schritt für Righettis Forschung.