Der Erich-Schairer-Preis für die besten Glossen geht in diesem Jahr an die Stuttgarter Zeitung, die "Schwäbische Post" und die "Filder-Zeitung".  

Im Dickicht der täglichen Berichterstattung bieten Glossen, Kommentare und kurze Feuilletons die Möglichkeit, mit feiner Sprache, pointiert und humorvoll das Geschehen mit einem anderen Blick zu erfassen und eine zweite, ungewöhnliche Seite darzustellen. Gerade der journalistische Nachwuchs sollte sich in dieser unter Presseschreibern als Meisterdisziplin geltenden Textform versuchen, findet die Erich Schairer Journalistenhilfe und lobte in diesem Jahr den 14. Erich-Schairer-Preis aus.

 

Es sind nicht die großen politischen Themen, sondern meist alltägliche Beobachtungen, die von den jungen Redakteuren aufgegriffen werden, sagte die Juryvorsitzende Sibylle Krause-Burger, selbst Kolumnistin, bei der Preisverleihung am Montag im Linden-Museum.

Den ersten Preis, der mit 3000 Euro dotiert ist, erhielt der Journalist Daniel Völpel, der seine Glosse "Grünes Shopping" in der Stuttgarter Zeitung veröffentlichte. Darin erörtert der 33-Jährige humorvoll, wie es bei einem Pflanzentauschflohmarkt zugehen könnte. Seine Arbeit hat den "ungeteilten Applaus der Jury bekommen", so Sibylle Krause-Burger. Die Jury lobte den kreativen und spielerischen Umgang mit der Sprache. Man dürfe sich jedoch nicht täuschen lassen, solche kurzen Texte zählen zu den schwierigsten. Krause-Burger: "Er hat sicher viel daran gefeilt."

Junge Journalisten sollen gestärkt werden

Um den Nachwuchspreis können sich alle Journalisten bis zum Alter von 35 Jahren bewerben, die im Vorjahr einen entsprechenden Text in einer baden-württembergischen Zeitung veröffentlicht haben. Für 2011 erhielt der Verein 45 Einsendungen von 24 Kandidaten. Jeder kann zwei Artikel einsenden.

Im Jahr zuvor waren es 57 Einsendungen. Krause-Burger bedauerte, dass keine Autoren aus Baden dabei gewesen seien und "nur sehr wenige Frauen." Der Erich-Schairer-Preis soll den journalistischen Nachwuchs stärken: "Junge Journalisten brauchen Rückendeckung, um kritisch berichten zu können. Wir wollen sie ermuntern und ermutigen."

Ein bei den Preisverleihungen bekanntes Gesicht ist Rafael Binkowski, der schon in den Vorjahren immer wieder einmal einen Preis zugesprochen bekam für seine Arbeit. In diesem Jahr erhielt der Lokalchef der "Schwäbischen Post" in Aalen den zweiten Preis und die damit verbundenen 2000 Euro. "Er ist ein Talent und ein alter Hase", so Krause-Burger. Es wird der letzte Schairer-Preis für Binkowski sein, der aus Altersgründen nicht mehr teilnehmen kann. Sein Text "Aalen 21" überträgt Stuttgart 21 auf Aalen, wobei er das Thema ins Absurde führt - und schließlich doch noch zur Wahrheit, so die Meinung der SchairerJury.

Der Redakteur Kai Müller von der "Filder-Zeitung" hat den 3.Preis und 1000 Euro für seine humorvolle Glosse über einen Rechtschreibfehler erhalten, den er im Vorbeigehen auf einem Werbeplakat entdeckt hat. "Flieder" statt "Filder" stand dort, und Kai Müller schrieb dann, in Anlehnung an den Roman von Aldous Huxley, über die "Schöne neue Flieder-Welt". "Kai Müller sieht etwas, beim Gang durch die Stadt", lobte die Jury. Der Text sei amüsant und sauber geschrieben.

Die Erich-Schairer-Journalistenhilfe will mit dem Preis dazu beitragen, gegen das digitale Zeitalter einen kritischen Journalismus aufzubieten, sagte die Vereinsvorsitzende Veronika Burger.

Grünes Shopping

Daniel Völpels Glosse ist am 24. April 2010 in der Stuttgarter Zeitung erschienen

Jetzt heißt es, den Goldregen sammeln, das Münzkraut zählen und das Stiefmütterchen anpumpen, denn heute steigt von 9 bis 12 Uhr in Korntal (Kreis Ludwigsburg) die Grüne Börse. Der Pflanzentausch-Flohmarkt ist das gesellschaftliche Ereignis im Ort.

Wenn die Schwarzäugige Susanne den Markt mit der Glockenblume einläutet, machen Prinzess-Astern den Husarenköpfchen schöne Mädchenaugen - Männertreu hin oder her. Beim Klatschmohn tauscht man die neuesten Gerüchte aus, während das Fleißige Lieschen seine Prachtscharten auswetzt. Wem beim zu erwartenden Frühlingswetter zu warm wird, der greift besser zu einem Sonnenhut. Denn Regenbogennelken sind nicht zu erwarten.

Wir warnen an dieser Stelle aber ausdrücklich davor, die Katzenminze im Sack zu kaufen oder einem Betrüger aufs Leimkraut zu gehen, nur weil er vom Tränenden Herzen jammert. Zum Ende des Markts empfiehlt sich ein Nickerchen auf dem Blaukissen, bei kühlem Wind muss eine innere Stimme den Frauenmantel aber ermahnen: "Vergissmeinnicht!"

Aalen 21

Am 1. September 2010 ist Rafael Binkowskis Glosse in der "Schwäbischen Post" erschienen

Geheime Pläne aus den Schubladen des Bahnvorstandes sind der "Schwäbischen Post" in die Hände gefallen. Demnach soll der Aalener Bahnhof unter die Erde verlegt werden, ins sumpfige Bett von Kocher und Aal. Dafür werden die vier Gleise auf zwei reduziert, es gibt eine direkte Intercity-Verbindung zum Flughafen Elchingen und zur Kontakta-Messe nach Heidenheim. Die frei werdenden Gleisgrundstücke werden zusammen mit dem Baustahlgelände weitere 25 Jahre brachliegen gelassen, dann kann sich Aalen erneut für die Landesgartenschau bewerben.

Dafür ist man künftig in 30 Sekunden am neuen ICE-Halt Wasseralfingen, fährt frei nach Edmund Stoiber mit dem Bahnhof in den Bahnhof, der Schättere-Express düst über das alte, reaktivierte Viadukt am Kocherursprung. Im neuen ICE "Martin Gerlach" geht es über das Wasseralfinger Bergbähnle dann direkt an die europäische Magistrale Bratislava-Aalen- Paris, ans Schnellbahnnetz. Ganz kühne Planer wollen gar den Transrapid bringen und so Aalen mit Ellwangen verbinden.

Schon regt sich Widerstand. Die Aalener Grünen recyceln die Transparente vom Protest gegen die Sondermüllverbrennungsanlage, Norbert Rehm sichert sich ein Grundstückszwickel auf den Gleisen, und Michael Fleischer will sich an den Fahrkartenautomaten anketten. "Kinder, Kinder, wohin soll das nur führen", staunt Albrecht Schmid. Und Karl Franke überschlägt schon mal, wann die Bahn insolvent geht. Zum Glück alles nur Pläne. Noch. . .

Schöne neue Flieder-Welt

In der "Filder-Zeitung" ist Kai Müllers Glosse am 6. November 2010 erschienen

Die Wahrheit ist manchmal ganz schön bitter. Doch das muss nicht sein. Also wird der stinkende Müllplatz zum Recycling-Park. Wer zu dick ist, hat eine Rubensfigur und wer den Krieg sucht, findet "friedensstiftende Maßnahmen". Genau zuhören sollte ein Mitarbeiter, wenn sein Chef ihn vom Arbeitsalltag entlasten und ihm künftig mehr Freizeit gönnen will. Diese Art zu beschönigen nennt man Euphemismus. Dabei handelt es sich meist um wenig angenehme Dinge, die in ein positives Licht gerückt werden.

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) freilich hat nun eine ganze neue Spielart entdeckt: Aus etwas Positivem wird noch etwas Positiveres gemacht. So findet sich an vielen Stellen in Möhringen derzeit die Ankündigung für eine Blutspendeaktion am 10. November im Bürgerhaus. Das steht am Filderbahnplatz. Doch die DRK- Spracherneuerer haben daraus einen "Fliederbahnplatz" gemacht. Da fühlt man sich doch gleich an ein Blütenmeer erinnert. Eine sanfte Brise im Wind, Urlaub, Ruhe, Entspannung: ach, ist das nicht herrlich! Da hat die ruhmreiche Filderbahn keine Chance.

Das Spiel lässt sich munter weitertreiben. Was ist schon Filderkraut gegen Fliederkraut, Filderklinik gegen Fliederklinik oder Fildorado gegen Fliederado? Im Kopf entsteht schnell ein Bild von einem Ort, in dem Milch und Flieder fließen. Ein Fliederparadies, in dem die Flieder-Zeitung mit blumigen Worten über Fliederstadt schreibt. Doch das darf nur der Anfang sein. Das DRK hat noch viel zu tun, damit alles ein klein wenig schöner wird. Aus der Blumenstraße könnte man eine Orchideenallee machen, aus Steinenbronn ein Diamantenbronn und aus dem simplen Rohr eine glänzende Edelstahlöffnung. Es sind fast keine Grenzen gesetzt, obwohl es bei der Vaihinger Paradiesstraße schwierig werden wird. Aber das DRK wird es schon richten und die Flieder-Zeitung wird gern wieder darüber berichten, wenn die Lebensretter die Welt ein kleines bisschen besser machen.