Der Ingenieur Anton Lill hat zusammen mit seinem Team die Einparkhilfe per Ultraschall erfunden. Was heute zum Standard vieler Autos gehört, wollte 1991 aber aus einem bestimmten Grund kaum jemand haben.

Bietigheim-Bissingen - Er habe eben seinen Job gemacht. So sieht es Anton Lill, ein Radio- und Fernsehtechniker, der später noch Informatik studiert hat. Sein ehemaliger Arbeitgeber, die Firma Valeo in Bietigheim-Bissingen, formuliert es etwas pompöser: Lill ist der Erfinder des Ultraschall-Parkhilfesensors, einer „bahnbrechenden Erfindung“, die heutzutage in den meisten Autos zum Standard gehört und mittlerweile auch als Pionierleistung in Sachen autonomes Fahren gilt – eine Ehrung, die dem bescheidenen Rentner aus Lauffen am Neckar (Kreis Heilbronn) fast zu viel ist.

 

Und als wäre das schon nicht genug der Ehre, hat der Motor-Presse-Club Lill jetzt dafür auch noch eine Auszeichnung zukommen lassen: den „Goldenen Gurt“ 2018. Damit will der Verein dem Ingenieur im Ruhestand Anerkennung für seinen Beitrag zur Fahrsicherheit zollen. Zuerst wollte Lill die Auszeichnung gar nicht für sich annehmen. Aber er war der Gruppenleiter der Elektronik-Abteilung in der Entwicklung der Spezial-Werkzeugfabrik Feuerbach – so hieß die Firma, ehe sie 1998 vom französischen Unternehmen Valeo aufgekauft wurde. Und damit auch der Kopf des Projekts. Als ruhigen Forscher mit hoher Expertise bezeichnen ihn Kollegen von damals. Trat ein Problem auf, sei Lill zuerst skeptisch gewesen – ehe er drei Tage später mit einer Lösung aufwartete.

Als BMW die Parksensoren anbot, gab es bei Daimler noch Parkstäbe

„Als wir die Parksensoren auf den Markt gebracht haben, wurden wir noch belächelt. Wer braucht denn sowas, hieß es damals. Wer nicht parken kann, beherrscht sein Auto nicht“, erzählt Lill. 1991 wurde der erste Serienwagen mit den Sensoren ausgestattet: der 7er BMW. Knapp neun Jahre hatte Lill mit seinem Team – und er legt Wert auf die Feststellung, dass es eine Teamleistung war – an dem Sensor gearbeitet. Zur gleichen Zeit bot Daimler seine S-Klasse noch mit optischen Einparkhilfen an: Am Heck fuhren kleine Stäbe aus, damit die Fahrer das Ende ihres Riesen-Autos durch die Heckscheibe sehen konnten – schon damals ein Anachronismus.

„Die Aerodynamik der Autos kam uns zugute“, erzählt Lill. Um windschnittiger zu sein, wurden die Motorhauben der Autos immer tiefer gelegt, und das Heck ging immer weiter nach oben. Am Ende konnten die Fahrer gar nicht mehr abschätzen, wann ihr Auto aufhörte. Den echten Durchbruch für die Einparkhilfe gab es aber erst im Jahr 1998, als VW seinen Golf in Serie damit ausstattete.

Heute ist Valeo Marktführer bei Ultraschallparkhilfen

Heute produziert Valeo jährlich 50 Millionen Parksensoren, die es mittlerweile in der fünften Generation gibt. Der Automobilzulieferer ist nach eigenen Angaben der Weltmarktführer bei Ultraschallparkhilfen – mit einem Marktanteil von mehr als 80 Prozent. Mittlerweile ist die Ultraschall-Technologie zwar von der Laser-Technik überholt worden. Doch die Messung mit Schall hat gegenüber dem moderneren und schnelleren Pendant mit Licht drei entscheidende Vorteile: Sie ist robuster, kleiner und günstiger – das erklärt auch, warum die hohen Stückzahlen erreicht werden konnten, die der Technik zum Durchbruch verhalfen. Auch Autoversicherer dürften sich über die Erfindung von Lill und seinem Team gefreut haben: Parkrempler dürften wesentlich seltener geworden sein.

Auch andere Technologien basieren auf Lills Erfindung: 2007 kam das erste halbautomatisierte Parksystem auf den Markt. Zum ersten Mal konnte ein Auto selbstlenkend einparken – der Fahrer musste nur noch Gas geben und bremsen. Heutzutage muss der Fahrer teils gar nicht mehr im Auto sitzen, um einzuparken. Es lässt sich vom Handy aus steuern. So kommt man in die engsten Lücken.

Als Vorbild diente den Ingenieuren rund um Lill damals das Tierreich: Die Fledermaus navigiert mit einem Echolot-System durch die Lüfte. Auch sie misst Abstände mithilfe der Zeit, die der Schall vom Hindernis zu ihr zurück braucht. Auf die Frage, ob Lill selbst ein guter Einparker ist, antwortet er bestimmt: „Sicherlich nicht. Ich bin ja immer mit dem Zug von Lauffen nach Bietigheim gefahren.“