Ehemalige Minister und Staatssekretäre sollen vor einem lukrativen Seitenwechsel mindestens ein Jahr pausieren. Aber nur, wenn es unbedingt sein muss.

Berlin - Die Koalition reagiert auf die umstrittenen Wechsel mehrerer ehemaliger Regierungsmitglieder in die Wirtschaft. Union und SPD haben sich auf eine Karenzzeit verständigt. Minister und parlamentarische Staatssekretäre sollen vor einem Wechsel in die Wirtschaft zwölf Monate pausieren, allerdings nur, wenn das Kabinett eine Interessenskollision mit der früheren Regierungsarbeit feststellt. Ein Gremium mit anerkannten Persönlichkeiten soll eine solche Entscheidung vorbereiten und der amtierenden Ministerrunde einen Vorschlag unterbreiten. In Ausnahmefällen soll eine Auszeit von 18 Monaten angeordnet werden können. Bei dem Treffen des Koalitionsausschusses am Dienstag Abend im Kanzleramt sollten noch Details besprochen werden.

 

Der parlamentarische Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer, bestätigte entsprechende Überlegungen, zu denen aber noch kein Gesetzentwurf vorliege. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich bereits im Sommer für eine Karenzzeit von einem Jahr ausgesprochen. Auch die SPD sprach sich für diese Zeitspanne aus. Im Koalitionsvertrag hatte man sich zwar darauf geeinigt, eine Regelung für den Seitenwechsel finden zu wollen. In der Union gab es jedoch Widerstand gegen eine starre Regelung. Grosse-Brömer sagte, es dürfe kein Nachteil sein, wenn man mal in der Politik war. „Es kann nicht ein Berufsverbot geben“, sagte der CDU-Mann.

Ex-Gesundheitsminister Bahr befeuerte die Diskussionen

Zuletzt hatte der Wechsel des ehemaligen Gesundheitsministers Daniel Bahr (FDP) in den Vorstand der privaten Krankenversicherung der Allianz für Diskussionen gesorgt. Zwar ist er dort eigenen Aussagen zufolge nicht direkt für die politische Lobbyarbeit zuständig, aber vor allem der Umstand, dass Bahr während seiner Amtszeit mit der Einführung einer staatlich geförderten privaten Pflegezusatzversicherung (Pflege-Bahr) seinem künftigem Arbeitgeber ein lukratives Zusatzgeschäft verschaffte, sorgte für Kritik.

Man kann davon ausgehen, dass die Einigung bei der Karenzzeit nicht etwa zufällig unmittelbar vor dem Koalitionsausschuss präsentiert wurde. Denn das minderte den Erwartungsdruck im Vorfeld des Treffens im Kanzleramts, von dem ansonsten aufseiten von Union und SPD nicht allzu viel Neues erwartet wurde. Man wollte reden, Minen räumen, in strittigen Fragen Wege ebnen, aber keine Knoten durchschlagen. Gleichwohl war die Zusammenkunft ein Novum in der Geschichte dieser Koalition. Erstmals trat der Ausschuss in ganz großer Runde zusammen. Zu den Parteichefs Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) gesellten sich die Vorsitzenden der Fraktionen, Thomas Oppermann (SPD) und Volker Kauder (CDU), die CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, die Generalsekretäre und die parlamentarischen Geschäftsführer.

Koalitionsspitze trifft sich ohne feste Tagesordnung

Zwar beteuerten beide Seiten, dass es keine Tagesordnung gebe, aber allein schon der Umstand, dass sich mehrere Minister für Gespräche bereit halten sollten, ließ das Gegenteil vermuten. Über die digitale Agenda wollte man sprechen, die Außen- und Sicherheitspolitik, über verkehrs- und energiepolitische Fragen. Also standen Innenminister Thomas de Maizière (CDU), Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) bereit. Horst Seehofer hatte sich vorgenommen, seine auch in der Union umstrittene, ablehnende Haltung zu neuen Stromtrassen von Nord nach Süd zu verteidigen. Und Alexander Dobrindt dürfte nicht nur über den Breitbandausbau gesprochen haben, sondern auch über die Einführung einer Pkw-Maut. Sicher kamen auch atmosphärische Störungen zwischen SPD und von der Leyen zur Sprache. Nachdem die Union mehrere Wochen die Kritik der Genossen an der auch in den eigenen Reihen nicht von allen geliebten Ministerin still genießend hingenommen hatte, reagierte sie zuletzt zunehmend vergrätzt auf das Dauerfeuer der Genossen. Vor allem SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi musste deshalb auf Kritik gefasst sein, weil sie in dieser Hinsicht aus Sicht der Union besonders auffällig wurde.