Eigentlich ist Robin Hofmann Diplom-Gestalter, Agentur-Macher und DJ: Nach 16 Jahren Selbstständigkeit fühlte er sich aber ausgebrannt. Jetzt nimmt er eine Auszeit als Forstarbeiter 50 Kilometer hinter Dresden.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart/Bad Schandau - Neulich bei der Eröffnung der Stuttgarter Bar Romantica: Die Menschen sind schön, die Gläser voll, die Luft ist stickig. Über das Publikum bei Cluberöffnungen wird gerne gelästert. Meist tuscheln diejenigen, die keine Einladung abbekommen haben: Das Premierenpublikum bestehe aus Bescheidwissern, die irgendwas mit Medien machen und mit Vorliebe Jeans von ausgesuchten skandinavischen Jungdesignern tragen, die außer ihnen keiner kennt. Den Club besuchen sie nach dem ersten Abend nie wieder, weil dann längst schon wieder ein angesagterer Laden drei Straßen weiter eröffnet hat.

 

Robin Hofmann ist Teil dieser in sich geschlossenen Szene. Er trägt einen gepflegten Hipster-Vollbart, lehnt lässig an der Bar und erzählt etwas von einem Projekt, das ansteht. Bei seinem Projekt handelt es sich aber nicht um seinen nächsten Auftritt als DJ oder die nächste Musikproduktion, die er für seine Firma HearDis! konzipiert. Hofmann erklärt zwischen den House-Beats, dass er Anfang Juli für ein Jahr in die Sächsische Schweiz geht, um sich beim Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) als Nationalparkwächter zu versuchen.

Vom Unternehmer zum Waldschrat

Vom Geschäftsführer einer Agentur mit 15 Mitarbeitern und einer Zweigstelle in Berlin zum Waldschrat 50 Kilometer hinter Dresden? Hofmann holt weit aus und erzählt vom Wunsch, sich zu hinterfragen. „Ich wusste, dass ich eine Auszeit brauche und wollte nicht warten, bis es nicht mehr geht.“ Der Diplom-Gestalter hat sich mit 21 Jahren selbstständig gemacht. „Es ging mir nie darum, reich und erfolgreich zu sein, sondern frei entscheiden zu können“, sagt der 37-Jährige. Also habe er sich um eine Stelle als Bufdi beworben. „Ich wollte mal keine Verantwortung haben, mal nicht der Leithammel sein.“ Und da sage noch einer, Smalltalk im Club sei oberflächlich.

Ortswechsel. Robin Hofmann arbeitet mittlerweile seit zwei Wochen im Nationalpark Sächsische Schweiz. Am Telefon erzählt er von seinen ersten Eindrücken. „Es ist natürlich eine komplett andere Welt hier. Vor dem Alleinsein im Winter habe ich schon jetzt Respekt. Bad Schandau bietet nicht gerade Abwechslung pur“, so Hofmann. Früher hat Hofmann in Clubs von Kopenhagen bis Moskau aufgelegt. „Irgendwann hat das Auflegen aber keinen Spaß mehr gemacht. Das Herumreisen und nachts arbeiten hat mich gestresst.“

Früher Hit-Produzent und DJ, heute Forstarbeiter

Mit seiner Band Dublex Inc. produzierte er im Jahr 2000 das Stück Tango Forte, aus dem die britische Popgruppe Sugababes einen Charthit machte. Er gründete die Plattenfirma Pulver Records und die Agentur HearDis!, deren Erfolgsgeschichte die Verfechter der sogenannten Kreativwirtschaft ganz kirre machen dürfte. Aus der „Zwei-Mann-Butze“, wie Hofmann sie nennt, ist eine Agentur entstanden, die sich auf Corporate Sound spezialisiert hat.

Seine neuen Kollegen in der Waldarbeiter-Branche dürften mit solch einer Unternehmensbeschreibung eher weniger anfangen können. „Die nennen ihren Computer Klimperkiste.“ An seiner Klimperkiste hat Hofmann Musik komponiert. HearDis! entscheidet, wie sich eine Marke anhört: „Für die Shops von Hugo Boss suchen wir die Musik heraus, für die Schweizer Supermarktkette Migros durften wir erarbeiten, wie die Firma klingt, um deren Werbung nun mit Musik unterlegen zu können.“

Das alte Ich lässt sich nicht so leicht abschütteln

Im Nationalpark Sächsische Schweiz hat er jetzt die Aufgabe, die Natur zu bewahren. Er muss darauf achten, dass die Gäste behutsam mit der Umwelt umgehen. „Der Austausch mit den Kollegen ist spannend. Wenn die über ihren Arbeitsalltag schimpfen, erinnere ich sie daran, wie paradiesisch ihr Arbeitsplatz ist.“ Im Gegenzug lernt Hofmann Wissenswertes über Flora und Fauna. „Ich kann hier in Ruhe beobachten und als Unternehmer lernen, wie Menschen in einer strengeren Hierarchie miteinander umgehen.“

Sein altes Ich hat er noch nicht abschütteln können. „Manchmal möchte ich einen Ablauf optimieren. Dann erinnere ich mich aber daran, dass ich hier tiefstapeln möchte.“ Sein alter Job lässt ihn auch noch nicht los. „Mit meinen Kollegen habe ich vereinbart, dass wir einmal die Woche per Videokonferenz sprechen, falls es etwas Dringendes gibt.“ Nachdem Hofmanns Team seinen Wunsch, eine Auszeit zu nehmen, akzeptiert hatte, wurden zwei neue Mitarbeiter eingestellt. Hofmann ist gespannt, wie es nach der Auszeit weitergeht. „Vielleicht habe ich eine ganz neue Vision für die Firma, wenn der Akku wieder aufgeladen ist.“ Vielleicht wird aus der Auszeit aber auch ein längerer Lebensabschnitt: Derzeit scheint Hofmann seinen Wald gegen keine Cluberöffnung eintauschen zu wollen.