Steinheim - Der Rasenroboter tuckert gemütlich durch den Garten, der Tesla hängt in der Garage am Ladekabel. Trotzdem muss Andreas Tinter an diesem herrlichen Frühlingstag nicht nervös mit einem Auge zum Stromzähler schielen, weil gerade Cent um Cent verbrannt würde. Die Energie, die sämtliche technische Geräte und die drei E-Autos der Steinheimer Familie ziehen, gibt es quasi frei Haus. Auf dem Dach funkeln die Sonnenkollektoren von zwei Photovoltaikanlagen, die zusammen rund 30 Kilowatt Peak stark sind. Die Module füttern auch einen Speicher mit einer Maximalleistung von 15 Kilowattstunden. „Wir müssen fast keinen Strom zukaufen“, sagt Tinter, der damit auf dem besten Weg zur kompletten energetischen Selbstversorgung ist und sich in der Stadt auch schon einen Namen als ausgewiesener Fachmann auf diesem Gebiet gemacht hat.
Waschmaschine aus Zisterne füttern
Jemand, der so tickt wie der 55-Jährige, begnügt sich natürlich nicht damit, den Strom vor Ort zu produzieren. Über Röhrenkollektoren, die ebenfalls aufs Dach geschraubt wurden, kann bei sonnigem Wetter Wasser erwärmt werden. „An den Speicher sind zum Beispiel die Waschmaschine und die Spülmaschine angeschlossen“, berichtet Andreas Tinter. Im Winter versiegt diese Energiequelle allerdings weitestgehend. Doch auch dafür ist der Diplom-Ingenieur gewappnet. Dann wird kaltes Wasser aus der eigenen Zisterne über den Strom aus den Photovoltaikanlagen erwärmt und zum Waschen benutzt. „Der Vorteil ist, dass es im Winter natürlich häufiger regnet als im Sommer, sodass man mehr Wasser übrig hat, um die Waschmaschine zu füttern“, erklärt der Steinheimer, der nicht nur ein Herz für die Erneuerbaren, sondern auch für Tiere hat.
Einige Stellen rund ums Haus hat er so gestaltet, dass sich dort Eidechsen pudelwohl fühlen. Zwischen unterschiedlich großen Steinen können sich die flinken Vierbeiner zurückziehen. „Inzwischen existiert hier eine kleine Kolonie“, sagt Tinter, für den das kein Hexenwerk ist. „Man muss denen nur einen Lebensraum bieten“, erklärt er.
Noch ein Projekt steht aus
Der ehemalige Affalterbacher hat also schon allerhand auf seinem Grundstück umgesetzt, was sich in ökologischer Hinsicht vorzeigen lässt, doch eines nagt noch an ihm: dass sein Haus mit Gas beheizt wird. „Wir möchten auf ein nachhaltiges System und auf eine Wärmepumpe umschwenken. Das ist das letzte Projekt, das ansteht“, sagt Tinter, der keineswegs den Missionar spielen will. Er würde niemanden zu seinem Glück zwingen wollen, der dafür nicht aufgeschlossen ist. Zumal ihm bewusst ist, dass man sich die moderne Technik auch leisten können muss. Mieter seien zudem von den Hausherren abhängig. Stellen die sich quer, lasse sich nichts machen. „Aber wenn mich jemand anspricht, sage ich meine Meinung“, betont Tinter. „Ich finde, es ist eine Verpflichtung gegenüber den nachfolgenden Generationen, auf erneuerbare Energien zu setzen“, erklärt er. Der 55-Jährige plädiert auch dafür, die Windkraft auszubauen.
Erstmal weggeschickt
Denn nur mit Photovoltaikanlagen alleine lasse sich der Bedarf nicht decken. Grenzen seien bei dieser Technologie unter anderem dadurch gesetzt, dass auf Mehrfamilienhäusern die Dachfläche gar nicht ausreichen würde, um alle Parteien mit Strom zu versorgen. Aber bei Häusern wie dem von Andreas Tinter wird es nur in manchen Wintermonaten eng bis unmöglich, komplett mit dem Eigenstrom über die Runden zu kommen. Tinter selbst musste übrigens auch erst von der Sinnhaftigkeit der erneuerbaren Energien überzeugt werden. Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde jemand vorstellig, der Dachflächen von Tinters Firma für Sonnenkollektoren anmieten wollte. „Ich dachte: Was soll das? Und habe ihn wieder weggeschickt.“ Doch der Mann ließ nicht locker, sodass Tinter überlegte: Da muss doch was dahinterstecken. Der Steinheimer rechnete alles durch, kam zu einem positiven Ergebnis und ließ dann selbst eine Anlage bei seinem Unternehmen montieren.
Er war angefixt. Kurz darauf folgten die ersten Module auf dem eigenen Dach. So kam eins zum anderen. Auch wirtschaftlich lohnte sich der Umstieg. Tinter muss kaum Strom zukaufen, der Überschuss wird vergütet. Der Spaß kommt ebenfalls nicht zu kurz: Nämlich dann, wenn der 55-Jährige mit seinem E-Smart an der Ampel einen aufgemotzten Verbrenner versägt.