Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Zurzeit zieht der 30-Jährige in seine erste eigene Wohnung. Tags zuvor sind Bett und Schrank angekommen. Bisher hat er immer bei seinen Eltern, in dem eine Autostunde entfernten Bad Godesberg gelebt. Vom Stress, den die Begegnung mit anderen Menschen bei Autisten auslösen soll, ist nichts zu spüren. Wer den entspannt redenden IT-Spezialisten sieht, fragt sich, was an ihm so anders sein soll. Doch sein Leben war ein Hürdenlauf. Nach der Ausbildung zum Elektrotechniker war er eineinhalb Jahre arbeitslos, danach wurde er durch ein Förderprogramm für zwei Jahre auf eine Arbeitsstelle bei einer Bundesbehörde vermittelt. Er stieß auf einen Arbeitsmarkt, auf dem Anpassung gefordert ist – und nicht die für Menschen mit dem Asperger-Syndrom typische Fähigkeit über eigene Schwächen zu reflektieren.

 

Die Geschichte von Markus Henk ist auch die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Menschen, die sich dafür eingesetzt habe, ihm und drei weiteren autistischen Kollegen eine Chance zu geben. Auf der einen Seite der Vodafone-Öffentlichkeitsarbeiter Marc Ruckebier (35), dessen Aufgabe sich auf Neudeutsch „Head of Issue- and Reputation Management“ nennt, im Businessanzug und mit Krawatte, ganz der Betriebswirtschaftler, der seine Sätze mit Managervokabeln wie „challenge“ oder „diversity“ spickt. Auf der anderen Claudia Gawrisch in lockerer weißer Bluse und Jeans, ebenfalls 35 Jahre alt.

Die studierte Medienwissenschaftlerin und nach eigener Aussage unverbesserliche Idealistin, litt in ihrem früheren Berufsleben darunter, dass die von ihr vermittelten Menschen zu funktionieren hatten – und sonst nichts. „In der Personaldienstleistung ist es immer die gleiche Geschichte: Mitarbeiter kommen und gehen. Man hat nicht den Freiraum und die Zeit, um zu eruieren, warum es vielleicht nicht gut läuft“, erzählt sie. Das habe sie sehr unzufrieden gemacht. Bei dem auf Autisten spezialisierten Personaldienstleister Auticon, für den sie die Vodafone-Mitarbeiter betreut, ist das anders.

Idealbild des Mustermitarbeiters hat ausgedient

„Wir haben so schnell, so viel gelernt, wie ich das nie geglaubt hätte“, sagt Marc Ruckebier, der bei Vodafone vor zweieinhalb Jahren den Stein ins Rollen gebracht hat. Wenn es nach ihm geht, sind die vier neuen Kollegen erst der Anfang. Seit er auf das Werk der Lehrerin Jane Elliott stieß, die seit Ende der sechziger Jahre in den USA das Thema Diversität auf die Agenda gebracht hat, ließ ihn das Thema nicht mehr los. Immer fragwürdiger erschien ihm das Idealbild des Mustermitarbeiters, der alle Punkte auf dem Lebenslauf abhakt: Selbstreflexion, perfektes Englisch, Präsentationsstärke, Extrovertiertheit. „Man verlangt von Ihnen, möglichst perfekt auf ein Idealprofil zu passen“, sagt er. So werde das Klima am Arbeitsplatz steril. Manager, die einst so ausgewählt worden seien, stellten wieder Leute ein, die ins Raster passten: „Die kopieren ihre eigene Persönlichkeit als Anforderungsprofil in eine Stellenbeschreibung und rekrutieren nach diesem Raster in einem Assessment-Center.“

Die erste eigene Wohnung

Zurzeit zieht der 30-Jährige in seine erste eigene Wohnung. Tags zuvor sind Bett und Schrank angekommen. Bisher hat er immer bei seinen Eltern, in dem eine Autostunde entfernten Bad Godesberg gelebt. Vom Stress, den die Begegnung mit anderen Menschen bei Autisten auslösen soll, ist nichts zu spüren. Wer den entspannt redenden IT-Spezialisten sieht, fragt sich, was an ihm so anders sein soll. Doch sein Leben war ein Hürdenlauf. Nach der Ausbildung zum Elektrotechniker war er eineinhalb Jahre arbeitslos, danach wurde er durch ein Förderprogramm für zwei Jahre auf eine Arbeitsstelle bei einer Bundesbehörde vermittelt. Er stieß auf einen Arbeitsmarkt, auf dem Anpassung gefordert ist – und nicht die für Menschen mit dem Asperger-Syndrom typische Fähigkeit über eigene Schwächen zu reflektieren.

Die Geschichte von Markus Henk ist auch die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Menschen, die sich dafür eingesetzt habe, ihm und drei weiteren autistischen Kollegen eine Chance zu geben. Auf der einen Seite der Vodafone-Öffentlichkeitsarbeiter Marc Ruckebier (35), dessen Aufgabe sich auf Neudeutsch „Head of Issue- and Reputation Management“ nennt, im Businessanzug und mit Krawatte, ganz der Betriebswirtschaftler, der seine Sätze mit Managervokabeln wie „challenge“ oder „diversity“ spickt. Auf der anderen Claudia Gawrisch in lockerer weißer Bluse und Jeans, ebenfalls 35 Jahre alt.

Die studierte Medienwissenschaftlerin und nach eigener Aussage unverbesserliche Idealistin, litt in ihrem früheren Berufsleben darunter, dass die von ihr vermittelten Menschen zu funktionieren hatten – und sonst nichts. „In der Personaldienstleistung ist es immer die gleiche Geschichte: Mitarbeiter kommen und gehen. Man hat nicht den Freiraum und die Zeit, um zu eruieren, warum es vielleicht nicht gut läuft“, erzählt sie. Das habe sie sehr unzufrieden gemacht. Bei dem auf Autisten spezialisierten Personaldienstleister Auticon, für den sie die Vodafone-Mitarbeiter betreut, ist das anders.

Idealbild des Mustermitarbeiters hat ausgedient

„Wir haben so schnell, so viel gelernt, wie ich das nie geglaubt hätte“, sagt Marc Ruckebier, der bei Vodafone vor zweieinhalb Jahren den Stein ins Rollen gebracht hat. Wenn es nach ihm geht, sind die vier neuen Kollegen erst der Anfang. Seit er auf das Werk der Lehrerin Jane Elliott stieß, die seit Ende der sechziger Jahre in den USA das Thema Diversität auf die Agenda gebracht hat, ließ ihn das Thema nicht mehr los. Immer fragwürdiger erschien ihm das Idealbild des Mustermitarbeiters, der alle Punkte auf dem Lebenslauf abhakt: Selbstreflexion, perfektes Englisch, Präsentationsstärke, Extrovertiertheit. „Man verlangt von Ihnen, möglichst perfekt auf ein Idealprofil zu passen“, sagt er. So werde das Klima am Arbeitsplatz steril. Manager, die einst so ausgewählt worden seien, stellten wieder Leute ein, die ins Raster passten: „Die kopieren ihre eigene Persönlichkeit als Anforderungsprofil in eine Stellenbeschreibung und rekrutieren nach diesem Raster in einem Assessment-Center.“

Auf der Suche nach Menschen, die diese glatt geschliffene Selbstdarstellung konterkarieren könnten, stieß Ruckebier auf das Thema Autismus. Solche Menschen sind der absolute Gegenpol zu Bewerbern, die selbst dann brennendes Interesse simulieren, wenn sie ein Job gar nicht interessiert. „Den Lebenslauf von Autisten müssen Sie erst einmal zur Seite legen – das ist ein Lebenslauf des Scheiterns, der nichts über die Qualifikationen sagt,“ sagt Ruckebier.

Auticon vermittelt Autisten an Firmen

Im Mai hat die Ankündigung des Softwarekonzerns SAP, in den kommenden Jahren weltweit bis zu 600 IT-Kräfte einzustellen, einige Wellen geschlagen. Damit stand auf einmal auch das kleine Experiment in Düsseldorf im Rampenlicht, das schon wesentlich weiter gediehen ist als diese Pläne. Vodafone hat bereits Ende 2011 zu dem in Berlin gegründeten Personaldienstleister Auticon Kontakt aufgenommen, der mittelfristig in allen großen deutschen Ballungsgebieten Menschen aus dem Autismus-Spektrum auf Jobs in der IT-Branche vermitteln will. Auticon stellt sie ein und garantiert ein festes Gehalt. Bei Vodafone sind die Verträge unbefristet, eine Übernahme ist möglich.

Das Thema fasziniert: Marc Ruckebier konnte sich seit der Ankündigung von SAP vor Interviewanfragen kaum retten. Schwierig und mysteriös scheinen diese neuen, angeblichen Stars der IT-Branche zu sein, aber irgendwie auch Genies. Ruckebier kann es nicht mehr hören, wenn wieder einmal Paul Newman aus dem Film „Rain Man“ bemüht wird, der zum Amüsement der Kinozuschauer auswendig Flugzeugunglücke herunterrasselte. Was Newman darstellte, ist eine äußerst seltene Variante des Autismus. Er spielte einen Savant, einen Menschen mit einer extremen Inselbegabung. Doch Autisten sind keine seltsamen Einsteins. Auticon betont gegenüber seinen Kunden ihre Beobachtungsgabe, die Genauigkeit und Konzentrationsfähigkeit, das fotografische Gedächtnis und den Blick für Details.

„Als ich die ersten Kandidaten kennenlernte, habe ich schnell aufgehört, sie irgendwo einzusortieren,“ sagt Auticon Betreuerin Gawrisch. Dicke Bücher hatte sie gewälzt: „Nach zwei Tagen habe ich das alles verworfen.“ Es gehe vor allem darum, Vertrauen aufzubauen. Die Kollegen hätten im Laufe der Jahre gelernt, was von ihnen erwartet wird und spielten oft eine Rolle. „Das Entscheidende ist, dass sie sich nicht mehr verstellen müssen, um geschätzt zu werden“, sagt Gawrisch. Sie ist längst mehr als eine Jobtrainerin. „Wenn das Telefon klingelt, gehe ich ran. Das kann auch spätabends sein“, sagt sie. Die Anfragen sind oft überraschend: „Das reicht vom Schränke aufbauen, Radiowecker schenken, Fußmatten in Lila kaufen“ Aus einem Projekt mit dem Titel „Diversität“ sind Freundschaften geworden.

Manager brauchen Schlagworte

Doch in einem Großkonzern geht es nicht ohne Schlagworte. „Manager fordern sie gerne heraus, wenn es um die sogenannten weichen Themen geht. Auf diese Fragen bin ich vorbereitet!“, sagt Ruckebier. Er kennt die Spielregeln des „elevator pitch“: Das ist der Projektvorschlag, den ein Vorgesetzter begreifen muss, während er im Aufzug ins nächste Stockwerk fährt. Warum tun wir das eigentlich? Es sind die Autisten selbst, die sie schon bei ihren ersten Auftritten beantwortet haben.

„Ein Kandidat wirkte auf uns beim Vorstellungsgespräch total normal“, erzählt Ruckebier. Sein Gesprächspartner habe nachgehakt, woran man den Autismus des Bewerbers erkenne. Dessen Antwort: „Ich habe gelernt, Ihnen meine Benutzeroberfläche zu präsentieren. Das ist extrem anstrengend für mich. Und wenn ich hier herausgehe, muss ich mich erst einmal einen ganzen Nachmittag hinlegen.“ So viel Direktheit haute den an Sprechblasen gewöhnten Manager um. Als eine der Neuen einmal von jemand außerhalb der Firma tapsig gefragt wurde, ob Autisten Humor hätten, erwiderte sie schlagfertig: „Ja. Aber den verstehen Sie nicht.“

Es sind mitunter bemerkenswerte Begegnungen im Büroalltag. Einer der vier neu eingestellten Autisten ließ seine Kollegen zusammentrommeln, weil er ihnen sein Leben erzählen wollte. Es war eine Geschichte der Ausgrenzung. „Für mich war danach die Stille im Raum fast unerträglich“, sagt Ruckebier. Doch auf einmal traute sich einer der Kollegen aus der Deckung. „Ich kann dich sehr gut verstehen“, sagte der, „auch ich war auf der Schule und der Uni der Außenseiter. Ich war auch derjenige, den man nicht dabeihaben wollte“.

Das Klima im Büro war danach anders. „Wenn Sie sich an diese Direktheit gewöhnt haben, dann fangen sie fast an, sie bei anderen Menschen zu vermissen“, sagt Ruckebier: „Wenn ich heute absolute Diplomatie erlebe, denke ich manchmal: Mit unseren Autisten geht das aber einfacher.“