In Maichingen betreibt Klaus Hagenlocher für Daimler einen Legenden-Club. Die Mitglieder haben Zugriff auf einen historischen Fuhrpark und müssen sich um nichts kümmern.

Sindelfingen - In einer unscheinbaren Halle in Maichingen testet Daimler ein neues Geschäftsmodell. Und auch, wenn der Konzern das Konzept in einer Broschüre als „Car-Sharing“ bezeichnet: Mit urbaner Mobilität der Zukunft hat der weltweit erste „Legenden-Club“ von Mercedes-Benz nichts zu tun. Elektro-Smarts wie bei car2go sucht man im Industriegebiet des Sindelfinger Stadtteils vergeblich.

 

Stattdessen parken hier, wo die Firma Solo bis zum Sommer Gartengeräte produzierte, fünf Jahrzehnte Automobilgeschichte unter einem Dach. Insgesamt 34 Oldtimer und Youngtimer warten auf ihre nächste Ausfahrt. Dazwischen Lounge-Sessel, eine Bar, an der Wand Bilder legendärer Rennfahrer. Die Halle ist in edlem Schwarz gestaltet, Corporate Design statt Garagen-Romantik. Und sie ist ein Hochsicherheitstrakt: rund eine Million Euro sind die Fahrzeuge zusammen wert.

Hagenlocher betrieb zuvor ein Autohaus auf der Hulb

Welche im Frühjahr 2016 zu Beginn der neuen Oldtimer-Saison auf die nahe Stuttgarter Straße rollen, entscheiden die Mitglieder des Legenden-Clubs. Dann werden sie über ihre Liebe zu glänzendem Lack und röhrenden Motoren sprechen, über Kindheitsträume, Statussymbole und Autos als Objekte der Begierde. So wie Klaus Hagenlocher. Seit mehr als 40 Jahren begeistert sich der Mittfünfziger für Oldtimer, bis Mitte des Jahres leitete er ein Mercedes-Benz-Autohaus auf der Böblinger Hulb. Nun betreibt er in einer Art Franchise-Modell den Legenden-Club. Daimler übernimmt Marketing und Kommunikation, Hagenlocher kümmert sich um die Mitglieder, organisiert Vorträge und Events und beschafft die Autos. Je zehn Mitglieder ein Fahrzeug, das ist der Schlüssel, den er sich vorstellt. Seit dem Start Ende Oktober haben sich fünfzehn Oldtimer-Fans dem Club angeschlossen, 300 Mitglieder bis Ende des Jahres 2017 sind das Ziel.

Wenn Hagenlocher, Typ kumpelhafter Verkäufer, durch seinen Fuhrpark führt, ist er schwer zu bremsen. „Jedes Auto hat seine eigene Geschichte“, sagt er – und erzählt sie alle gerne. Seine Schätze findet er im Internet oder über persönliche Kontakte, die er auch nach abgeschlossenem Kauf pflegt. „Der Vorbesitzer des Citroën 11CV schaut regelmäßig vorbei und streichelt sein Auto“, sagt Hagenlocher mit Blick auf das älteste Club-Fahrzeug aus dem Jahr 1957, auch bekannt als „Gangster-Limousine“. Dass ein Wagen Schaden nehmen könnte, fürchtet Hagenlocher nicht: „Es gibt klare Regeln für den Umgang mit den Autos. Und ich kann alle per GPS orten.“ Wenn es doch einmal irgendwo klemmt, schafft die freie Werkstatt nebenan Abhilfe, sie gehört ebenfalls Hagenlocher.

Auch Fahrzeuge anderer Marken gehören zum Fuhrpark

Auch Wartung und Pflege nehmen zehn Mitarbeiter den Club-Mitgliedern ab, die nur fahren und tanken müssen. Und zahlen: Für den Zugriff auf die Auto-Legenden werden zwischen 180 und 2400 Euro jährlich fällig, je nach Nutzung und Anspruch ans Gefährt. Dazu kommt eine Eintrittsgebühr von 5000 Euro. „Als Anschubfinanzierung für den Kauf neuer Modelle“, erklärt Hagenlocher. Die Einlage gibt es bei Austritt wieder zurück – wenn man sie nicht verfahren hat. Alle Gebühren werden in Punkte umgewandelt, mit denen die Mitglieder die Ausleihen bezahlen. Wertvollstes Pferd im Stall ist mit rund 140 000 Euro ein Mercedes-Benz 220 S Ponton Cabrio. Wer damit in der Hauptsaison ein Wochenende lang losziehen möchte, zahlt rund 800 Euro. Einen Renault R 4 gibt es in der Nachsaison für 140 Euro pro Tag.

Dass nicht nur Autos mit Stern zum Fuhrpark gehören, ist Hagenlocher wichtig. Einen Ford Mustang aus dem Jahr 1967 hat er besorgt, eine Corvette Sting-Ray, einen VW-Bus. Die Sammlung von Daimler werde für den Legenden-Fuhrpark ohnehin nicht angetastet, sagt Patrick Planing, Projektmanager im Konzern-Bereich Business Innovation. Seine Abteilung will die Erfahrungen am Maichinger Pilot-Standort nutzen, um den Legenden-Club weltweit zu etablieren. Aus seiner Ideen-Schmiede stammen auch das Auto-teilen-Projekt car2go und die Mobilitäts-App moovel. „Es gibt in der Gesellschaft eine Entwicklung weg vom Besitz und den damit einhergehenden Verpflichtungen. Wer teilt, hat mehr“, glaubt Planing. In diesem Fall mehr als 30 Fahrzeuge statt nur einem – dafür kein eigenes.

Der Club als Einstiegsdroge

Passionierte Bastler, die ganze Wochenenden mit dem Poliertuch in der Hand in der Garage verbringen, dürften mit dem All-Inclusive-Paket kaum zu locken sein. Mit Schraub-Workshops wolle der Club seinen Mitgliedern die technische Seite aber näher bringen, sagt der Daimler-Manager. Für ihn ist der Legenden-Club auch eine Möglichkeit, Kaufanreize zu schaffen: „Wir sehen ihn als eine Art Einstiegsdroge.“