Auto-Talk mit Ergun Lümali Was der Mercedes-Betriebsratschef dem Kanzler zu sagen hat

Mercedes-Betriebsratschef Ergun Lümali (mitte) zu Gast im Pressehaus mit den Redaktionsmitgliedern Klaus Köster und Veronika Kanzler. Foto: Peter Stolterfoht

Der Autogipfel bei Friedrich Merz steht an. Mit dabei: Mercedes-Betriebsratschef Ergun Lümali. Der will jetzt Ergebnisse sehen, wie er im Auto-Talk dieser Zeitung sagt.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau: Peter Stolterfoht (sto)

Ergun Lümali ist früh dran. 45 Minuten vor Beginn der Veranstaltung fährt er im Elektro-SUV am Stuttgarter Pressehaus vor. Die verbleibende Zeit will der Gesamtbetriebsratschef von Mercedes-Benz zur Vorbereitung nutzen – mit Fragen. Bevor die ihm von den online zugeschalteten Leserinnen und Lesern dieser Zeitung selbst gestellt werden. Wie viele von ihnen hätten denn die Möglichkeit, sich direkt an ihn zu wenden, will Ergun Lümali zum Beispiel wissen. Er erfährt, dass für das zum zweiten Mal stattfindende Format „Auto-Talk“ 150 Anmeldungen eingegangen sind. Außerdem erreichen seine Antworten Zehntausende von Lesern der Berichterstattung in Print und auf der Webseite.

 

In diesem großen Rahmen kommt Ergun Lümali dann schnell auf eine andere Veranstaltung zu sprechen, die wiederum im kleinen Kreis an diesem Donnerstag stattfinden wird. Friedrich Merz empfängt da die wichtigsten Vertreter der deutschen Autoindustrie zum Kanzlergipfel. Mit dabei: Ergun Lümali. „Es geht jetzt darum, die Voraussetzungen zu schaffen, unseren Industriestandort zu stabilisieren und wieder aufzubauen“, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Mercedes-Benz. „Es ist die Zeit gekommen, dass alle aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammenstehen müssen.“

Viele Fragen an den Betriebsratschef von Mercedes-Benz, Ergun Lümali Foto: Stolterfoht

Lümali hat ganz konkrete Erwartungen an den anstehenden Gipfel. Absichtserklärungen gebe es bereits zur Genüge, es müssten jetzt auch Fakten geschaffen werden, sagt er und nennt die Ansatzpunkte für den Weg aus der Krise. Die Transformation könne hierzulande nur gelingen, wenn die Politik die Rahmenbedingungen dafür schaffe: mit niedrigeren Energiepreisen, einer besseren Ladeinfrastruktur, oder dem Abrücken vom EU-Verbrennerverbot 2035.

Mercedes könne gegen chinesische Hersteller bestehen

Dass China als Konkurrent uneinholbar enteilt sei, glaubt Ergun Lümali indes nicht. „Dort wird es in absehbarer Zeit auch nicht mehr möglich sein, dass Autos zu einem Preis unterhalb der Herstellungskosten verkauft werden“, sagt Lümali mit Blick auf die chinesische Subventionspolitik.

Die Frage, ob der „Luxusstrategie“ genannte Mercedes-Plan, gezielt auf das High-End-Segment zu setzen, mittlerweile gescheitert sei, nähert sich Ergun Lümali differenziert. In dem er darauf hinweist, dass sich nach der Zielvorgabe, viele Parameter radikal geändert hätten und so von niemandem vorhersehbar gewesen seien. Dazu gehöre eine derzeit dem Zufall gehorchende US-Zoll-Politik unter Donald Trump, geopolitische Veränderungen, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg, oder der unerwartet langsame Hochlauf der Elektro-Mobilität.

Dem Mercedes CLA folgt bald ein weiteres Einstiegsmodell

„Ein Konzern wie Mercedes braucht Strategien, die benötigen bei Bedarf aber auch Anpassungen“, sagt Ergun Lümali. Und genau diese notwendigen Anpassungen würden auch vorgenommen werden. Dazu zählt er das neue Einstiegsmodell CLA, dem schon bald ein weiteres folgen soll.

Damit hat der Mercedes-Vorstand aber noch lange nicht seine Pflicht erfüllt, meint der Betriebsratsschef und stellt Forderungen. „Was wir brauchen, ist Wachstum und Auslastung.“ Derzeit seien in Deutschland nur etwa 80 Prozent der Produktionskapazitäten ausgeschöpft: „Das muss sich ändern.“

Starker Standort für Stärkung der Demokratie

Deutlich macht er bei einer virtuell gestellten Frage aus dem Publikum, dass die Arbeitsplatzverlagerung unter dem Motto „Go East“ nicht das große Allheilmittel bei der Krisenbewältigung sei. „Sich ständig mit Niedriglohnländern zu vergleichen, bringt uns nicht weiter“, sagt der Arbeitnehmervertreter. „Wir haben Mitbewerber, die haben es auch in Deutschland auf höhere Stückzahlen gebracht.“ Im gesamten Produktionsnetzwerk müssten die Stückzahlen erhöht werden, in Deutschland ebenso wie beispielsweise am Mercedes-Standort im ungarischen Kecskemét.

Beim Standort Deutschland kommt Ergun Lümali auch auf dessen große Bedeutung für eine Stärkung der Demokratie zu sprechen. „Wenn Angst und Unsicherheit herrschen, haben Populisten Hochkonjunktur“, sagt er. „Sie bieten einfache Antworten an, aber die gibt es nicht auf komplizierte Fragen.“ Deshalb müssten gerade jetzt Betriebsrat und Gewerkschaft Haltung einnehmen und Hilfe anbieten. Klar für ihn ist aber: „Wer hetzt, der fliegt.“

Der anatolische Schwabe

Werdegang
Ergun Lümali wird am 1. August 1962 in der Türkei geboren. Sein Vater verlässt 1968 die westanatolische Heimat und findet einen Job bei Daimler-Benz in Sindelfingen. Er kommt 1970 nach Deutschland.

Betriebsrat
Im Werk Sindelfingen macht Lümali eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker. Seit 1994 ist er Mitglied des Sindelfinger Betriebsrats, dessen Vorsitzender er 2014 wird. Ebenso ist er Vorstandsmitglied der IG Metall. Bis 2026 ist er als Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Mercedes-Benz gewählt, bis 2028 als Stellvertretender Aufsichtsratschef.

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