Den Start in Deutschland bezeichnete Hyundai 1991 als Härtetest. Die Koreaner haben den Test bestanden. In diesem Jahr werden trotz Flaute so viele Autos verkauft wie noch nie.

Stuttgart - Als der koreanische Autobauer Hyundai im Herbst 1991 auf der Automesse IAA seine Deutschland-Premiere feierte, kündigte der damalige Konzernchef Chung Se-yung einen Härtetest an. „Der Start unserer Autos hier in Deutschland ist eine enorme Herausforderung“, verkündete der Koreaner den Medienvertretern voller Hochachtung vor den Wettbewerbsverhältnissen in einer Frankfurter Messehalle. Denn der deutsche Automarkt sei der härteste in Europa, vielleicht sogar in der Welt. „Wenn unsere Produkte hier erfolgreich sind“, so Chung Se-yung, „sind sie es überall in der Welt.“

 

Hyundai hat diesen Härtetest bestanden und beweist auch in der aktuellen Branchenkrise Stärke. Während Opel ums Überleben kämpft und Peugeot Werke schließt und vom französischen Staat gestützt werden muss, geben die Koreaner kräftig Gas.

„Es läuft für Hyundai weltweit gut, und besonders gut in Deutschland“, bilanziert Markus Schrick im Gespräch mit der Stuttgarter Zeitung. Der 52-Jährige ist nach beruflichen Stationen bei Ford, Audi und Toyota seit März dieses Jahres Geschäftsführer bei der hiesigen Vertriebsgesellschaft Hyundai Motor Deutschland GmbH in Neckarsulm. Während die Pkw-Neuzulassungen in Deutschland von Januar bis Oktober insgesamt um 1,6 Prozent auf 2,6 Millionen Wagen geschrumpft sind, konnte Hyundai in dieser Zeit um fast 15 Prozent auf rund 84.000 Autos zulegen. Damit erreichen die Koreaner einen Marktanteil von 3,2 Prozent.

Hyundai will das Jahresziel übertreffen

Schrick begründet diesen Erfolg der koreanischen Marke mit neuen und vorrangig in Europa entwickelten Modellen, die in den letzten anderthalb Jahren auf den Markt gekommen seien. Den stärksten Zuwachs verzeichnet dabei der Geländewagen ix35, der in den ersten zehn Monaten um mehr als 50 Prozent zulegte und mit rund 16.000 Exemplaren nach dem im März gestarteten Kompaktwagen i30 auf Platz zwei in der Verkaufsrangliste von Hyundai in Deutschland liegt. Im Gesamtjahr will Hyundai in Deutschland mehr als 95.000 Autos verkaufen, „mehr als geplant“, wie der Geschäftsführer berichtet. Das wäre ein neuer Rekord. Ursprünglich lag das Ziel für das laufende Jahr bei 90.000 Autos. Im Vorjahr kletterten die Neuzulassungen bereits um 17 Prozent auf rund 86.700 Wagen.

Im nächsten Jahr indes will Hyundai das Tempo in Deutschland drosseln. „Nach dem Produktfeuerwerk 2011 und 2012 werden wir uns vor allem darauf konzentrieren, bestehende Modelle im Markt fest zu etablieren“, kündigt Schrick an. Der Markt werde sehr schwierig sein. Deshalb peile man nur ein „moderates Wachstum“ an.

Im nächsten Herbst wird zudem die Deutschland-Zentrale von Hyundai von Neckarsulm nach Offenbach umziehen, wo bereits die Europa-Zentrale mit etwas mehr als 100 Mitarbeitern angesiedelt ist. Der Abschied von Baden-Württemberg ist eine Folge der vollständigen Übernahme der Deutschland-Tochter durch den koreanischen Konzern. Anfang dieses Jahres hat die Hyundai Motor Company von dem Schweizer Autohandelshaus Emil Frey Gruppe dessen Mehrheitsanteil am deutschen Generalimporteur übernommen. Die deutsche Tochter von Emil Frey sitzt in Stuttgart. Sie ist aus dem schwäbischen Autohandelskonzern SG Holding (Schwabengarage) hervorgegangen, der die Koreaner bei der Erschließung des deutschen Marktes nach Kräften unterstützte, weshalb die Deutschland-Zentrale im Südwesten angesiedelt wurde.

Wer nach Offenbach mitgeht, bekommt mehr Gehalt

In Neckarsulm arbeiten rund 180 Menschen bei Hyundai. Markus Schrick rechnet damit, dass 60 bis 70 Prozent aller Mitarbeiter beim Unternehmen bleiben werden. „Wir haben den Mitarbeitern vor Kurzem ein attraktives Angebot gemacht, nach Offenbach mitzukommen“, sagt der Geschäftsführer. Mitte November hat sich das Unternehmen mit dem Betriebsrat auf einen Sozialplan geeinigt. Bis zum Ende des Jahres müssen sich die Mitarbeiter entscheiden. Wer mitgeht, erhält eine finanzielle Unterstützung für den Umzug. Zudem gibt es eine Gehaltserhöhung von neun Prozent, weil die Mieten im Großraum Frankfurt teurer sind als in Neckarsulm. Wer das Wechselangebot nicht annimmt, erhält eine Abfindung.

Schrick spricht von einem engen Draht zum koreanischen Konzern. „Die Übernahme durch Hyundai verschafft uns eine höhere Schlagkraft am Markt“, meint der Geschäftsführer. „Der Informationsfluss ist schneller, und wir können besser auf Veränderungen des Marktes reagieren, zum Beispiel am Produkt oder mit größeren Marketingkampagnen, die vom Hersteller unterstützt werden. Entscheidungen über größere Investitionen können generell schneller getroffen werden“, erläutert Schrick und weist auf den hohen Stellenwert der Deutschland-Tochter hin. „Deutschland ist der größte Markt in Europa für Hyundai. Man hört uns in der Europazentrale und in der Konzernzentrale in Korea gut zu und sucht den Dialog mit uns.“

Als Hyundai 1991 in Deutschland startete, wurde der Neuling aus Fernost, der erst 1976 mit dem Pony sein erstes eigenes Auto auf den Markt gebracht hatte und vor allem mit günstigen Preisen warb, von manchem belächelt. „Heute ist Hyundai kein asiatischer Schnäppchenanbieter mehr, sondern ein dynamisch wachsender Global Player, ein ernst zu nehmender Wettbewerber von Autoherstellern wie VW, Opel oder Ford“, sagt Geschäftsführer Schrick. Im vergangenen Jahr kletterte der Absatz der hochprofitablen Hyundai Motor Company um zwölf Prozent auf rund vier Millionen Fahrzeuge. Der Umsatz stieg um 16 Prozent auf umgerechnet 52,5 Milliarden Euro, der Reingewinn um 35 Prozent auf rund 5,5 Milliarden Euro. Gemeinsam mit der Schwestermarke Kia wurden weltweit 6,6 Millionen Fahrzeuge verkauft. Damit war der koreanische Konzern der fünftgrößte Autobauer der Welt. In diesem Jahr sollen erstmals mehr als sieben Millionen Fahrzeuge der beiden Marken verkauft werden.

Nach Einschätzung des Forschungsinstituts CAR an der Universität Duisburg-Essen könnten die Koreaner bis zum Ende des Jahrzehnts zum größten Autobauer der Welt aufsteigen. „Hyundai-Kia braucht noch ein paar Jahre Zeit, noch ist der Abstand zur Spitze groß“, meint Institutschef Ferdinand Dudenhöffer. „Aber um das Jahr 2020 ist Hyundai-Kia ebenbürtig mit VW und Toyota. Das Rennen um die Spitze bleibt spannend.“