Die Kernmarke des Volkswagen-Konzerns ist chronisch ertragsschwach. Ein massiver Stellenabbau soll die ändern. Zugleich wird viel Geld in den Ausbau der Elektromobilität investiert.

Stuttgart - Es war ein Bild der Harmonie. Kurz nach seinem Antritt als Markenchef von VW radelte Herbert Diess gemeinsam mit dem Betriebsratschef Bernd Osterloh im Sommer des vorigen Jahres durch das Wolfsburger Riesenwerk. Hinterher erzählte der als Sanierer eingestellte frühere BMW-Manager, ihn habe nicht die Größe des Stammwerks beeindruckt, sondern insbesondere auch die Motivation und das Engagement der Belegschaft.

 

Betriebsratschef Osterloh lobte nach der gemeinsamen Radtour den neuen Markenchef. „Es spricht für Herrn Dr. Diess, dass er sich die Zeit nimmt, um direkt vor Ort mit den Kolleginnen und Kollegen zu sprechen.“

Die Harmonie hielt jedoch nicht lange. Als Diess ans Eingemachte ging und sein „Effizienzprogramm“ anschob, mit dem die Kosten der Kernmarke VW gesenkt werden sollten, schoss der mächtige Betriebsratschef quer und wollte – wie schon in der Vergangenheit immer wieder – die Besitzstände der Werktätigen verteidigen. Im November warf Osterloh dem Markenchef sowie Konzernchef Matthias Müller vor, Sparmaßnahmen einseitig und ohne Grundlage zu verkünden. Im April hieß es in einem Brief, die Arbeitnehmerseite habe den Eindruck, „dass der Dieselskandal hinterrücks dazu genutzt werden soll, personelle Einschnitte vorzunehmen, die bis vor wenigen Monaten kein Thema waren“. Nur mit viel Überredungskunst konnte Konzernchef Müller eine weiteres Eskalation des Konflikts verhindern.

VW liegt bei der Ertragskraft weit hinter den Wettbewerbern

Dabei war es höchste Zeit, angesichts einer bedrohlich schwachen Ertragslage der Marke VW gegenzusteuern. „Nicht der Abgasskandal stellt die größte Zukunftsbelastung für den Wolfsburger Konzern dar, sondern die chronische Ertragsschwäche der Kernmarke VW-Pkw“, schrieb Ferdinand Dudenhöffer, der Chef des Duisburger Forschungsinstituts CAR in diesem Frühjahr nach der Vorlage der Bilanz in einer Studie. Der Wissenschaftler belegte dies durch den Vergleich wichtiger Kennzahlen verschiedener Autohersteller. Während der Konzernteil VW-Pkw (in dem das China-Geschäft allerdings nicht enthalten ist) im vorigen Jahr nur einen mageren Gewinn von 475 Euro pro Auto erzielt habe, so Dudenhöffer, spielten General Motors, Skoda, Ford und Toyota in einer ganz anderen Liga. Toyota beispielsweise schaffte 1862 Euro Gewinn je Auto. Während VW im vergangenen Jahr eine magere Umsatzrendite von zwei Prozent einfuhr, schaffte der japanische Autoriese Toyota fast zehn Prozent.

Die Umsatzrendite soll auf vier Prozent verdoppelt werden

Dudenhöffer führte diese Ertragsschwäche von VW unter anderem auf eine zu große Belegschaft am Hochkostenstandort und eine zu geringe Arbeitsproduktivität zurück. VW setze im Vergleich zu den Wettbewerbern deutlich zu viele Mitarbeiter ein. Während der VW-Konzern im vergangenen Jahr pro Mitarbeiter nur einen Umsatz von knapp 350 000 Euro erreicht habe, waren es bei Toyota fast 610 000 Euro und bei General Motors rund 638 000 Euro. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Fertigungstiefe bei VW ungewöhnlich groß ist, also viele Teile und Komponenten (zu hohen Löhnen) von eigenen Mitarbeitern hergestellt werden, die andere Autobauer von Zulieferern beziehen.

Die nun am Freitag angekündigte Streichung von bis zu 30 000 Arbeitsplätzen weltweit – davon bis zu 23 000 Stellen in Deutschland – soll nach Angaben des Unternehmens dazu beitragen, dass sich die Produktivität in den deutschen Werken bis 2020 auf vier Prozent verdoppelt – von der Ertragskraft Toyotas ist VW damit immer noch meilenweit entfernt.

Bis 2025 gibt es keine Kündigungen

Durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen in allen Bereichen und an allen Standorten in Deutschland erwartet das Unternehmen ab 2020 eine jährliche Verbesserung der Ertragslage um drei Milliarden Euro. Die Regionen außerhalb Deutschlands sollen durch eigene Sparprogramme weitere 700 Millionen Euro beisteuern. Unter dem Strich wird also eine nachhaltige Verbesserung der Ertragslage um 3,7 Milliarden Euro angestrebt.

Markenchef Herbert Diess bezeichnete die Vereinbarung mit der Arbeitnehmerseite als „einen großen Schritt nach vorn“. „Wir stärken Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit, und wir sorgen für die Zukunftssicherheit unserer Standorte. Betriebsratschef Osterloh hob als wichtigste Nachricht hervor: „Die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft sind sicher. Wir haben vereinbart, dass betriebsbedingte Kündigungen bis 2025 ausgeschlossen sind.“

Ebenso wichtig sei, so der Betriebsratsvorsitzende weiter, dass mit dem Zukunftspakt der Einstieg in die Elektromobilität der nächsten Generation geschafft werde. Die deutschen Standorte des Automobilkonzerns sollen nach dieser Vereinbarung in die Entwicklung und Produktion von Elektrofahrzeugen und Komponenten einsteigen. Dazu zählt auch eine Pilotanlage für Batteriezellen und Zellmodule. Die Elektroautos sollen in Wolfsburg, dem mit Abstand größten Standort, und in Zwickau produziert werden.

Durch das verstärkte Engagement in diesen Zukunftsfeldern sollen 9000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Stellen sollen nach Angaben des Unternehmens überwiegend mit bereits vorhandenen Mitarbeitern, aber auch mit Spezialisten von außen besetzt werden.