Der Daimler-Aufsichtsrat hat den Vertrag von Vorstandschef Dieter Zetsche überraschend nur um drei Jahre verlängert. Die Arbeitnehmerseite war gegen eine Verlängerung um fünf Jahre.

Stuttgart - Eigentlich hatte die Kapitalseite des Daimler-Aufsichtsrats die Verlängerung des Vertrags von Vorstandschef Dieter Zetsche anders geplant. Ursprünglich sollte Zetsche nach Informationen der Stuttgarter Zeitung aus Aufsichtsratskreisen fünf weitere Jahre an der Spitze des Stuttgarter Autokonzerns erhalten. Obwohl der Daimler-Chef das Gewinnziel im vergangenen Jahr mehrmals nach unten korrigieren musste und Mercedes-Benz im Wettbewerb mit Audi und BMW derzeit immer weiter zurückfällt, zeigte man sich auf der Kapitalseite alles in allem zufrieden mit den Leistungen des Schnauzbartträgers und dessen Vorstandskollegen.

 

Zetsche habe die Schwachstellen erkannt und gegengesteuert, hieß es. Klammere man China aus, so habe Daimler im vergangenen Jahr gar nicht so schlecht abgeschnitten, meinte kürzlich ein Aufsichtsrat der Kapitalseite. Mit der Schaffung eines eigenen China-Vorstands könne der Stuttgarter Autobauer dort bald wieder aufholen. Dies klingt jedoch nach einem Schönreden der tatsächlichen Verhältnisse. Denn die Schwäche im Chinageschäft geht auf gravierende Fehlentscheidungen des Vorstands zurück, die weit zurückreichen. Viel zu oft hat Daimler zunächst zugesehen, wie die Konkurrenten Audi und BMW agierten, und – wenn diese mit einer Entscheidung Erfolg hatten – schließlich reagiert. Dies gilt beispielsweise für die Produktion verlängerter Modellvarianten, die in China begehrt sind, weil sich die Wohlhabenderen dort gern chauffieren lassen und mehr Platz im Fond bevorzugen.

Ruhe in den Betrieb

Die Kapitalseite hätte auch eine längere Laufzeit des Zetsche-Vertrags bevorzugt, weil dies mehr Ruhe in den Betrieb bringt. Bei einer dreijährigen Laufzeit muss schon sehr bald wieder über eine Verlängerung gesprochen werden.

Die Arbeitnehmerseite machte nach Informationen der Stuttgarter Zeitung der Kapitalseite Druck und setzte durch, dass der Vertrag nur um drei Jahre verlängert wird. Es ist ein Warnschuss für Zetsche. Die Arbeitnehmerseite will früher eingreifen können, falls es dem Vorstandschef auch in den kommenden Jahren nicht gelingen sollte, im Wettbewerb mit Audi und BMW aufzuholen. Zetsche hat bei der Vorlage der Bilanz vor kurzem erst einräumen müssen, dass auch 2013, wie schon 2012, ein „Übergangsjahr“ werde und der Konzern wohl erst 2014 wieder in Fahrt kommen werde.

Zugleich drückt sich darin dem Vernehmen nach auch ein Unmut gegenüber dem Zetsche-Vertrauten Wolfgang Bernhard aus. Bernhard gilt als Kronprinz Zetsches für die Nachfolge an der Konzernspitze. Beide haben einst gemeinsam versucht, Chrysler zu sanieren, wodurch ein enges Vertrauensverhältnis entstanden ist. Bernhard wurde nach dem Feuerwehreinsatz bei Chrysler 2004 zum Mercedes-Chef ernannt. Kurz vor seinem Antritt musste der jedoch das Unternehmen verlassen.

„Blindwütiges „Aufräumen““

Auch damals hatten die Arbeitnehmervertreter mit Betriebsratschef Erich Klemm an der Spitze Druck gemacht. In einem Interview schimpfte Klemm: „Aus unserer Sicht bestand das erhebliche Risiko, dass Dr. Bernhard ein blindwütiges „Aufräumen“ beginnt und dabei keine Rücksicht auf Kultur und Führungstradition unseres Unternehmens nehmen wird.“ Bei Chrysler hatte Bernhard Stellen gestrichen, Werke geschlossen, Zulieferern die Preise gekürzt. Zetsche, damals noch Chrysler-Chef, bedauerte den Rauswurf Bernhards und fügte hinzu: „Er ist ein sehr guter Freund von mir“. Nach einem glücklosen Intermezzo bei VW kehrte Bernhard im Februar 2010 als Produktions- und Einkaufschef der Autosparte Mercedes-Benz Cars nach Stuttgart zurück. Bernhard hielt sich seither mit öffentlichen Auftritten extrem zurück.

Die Arbeitnehmervertreter wollten ihm zunächst eine zweite Chance geben, sich zu ändern. Wer Betriebsräte in den vergangenen Jahren auf Bernhard ansprach, hörte kein schlechtes Wort. Doch in letzter Zeit sind sie offenbar zu dem Urteil gekommen, dass Bernhard sich nicht geändert habe. Bernhard hat sich zum Ziel gesetzt, die Kosten in der Autosparte kräftig zu senken und die Zeit, die für die Produktion eines Wagens benötigt wird, massiv zu verkürzen. Dabei kam es offenbar zu Reibungen mit den Betriebsräten. Deshalb erzwang die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat, wie zu hören ist, eine Rochade im Vorstand. Für die Produktion bei Mercedes-Benz wird künftig Andreas Renschler zuständig sein, der bisher die Lastwagensparte führte, Bernhard übernimmt Renschlers Job.