Die Autobiografie von Julian Assange hinterlässt offene Fragen und wird gegen den Willen des Wikileaks-Gründer publiziert.  

Stuttgart - Über Wikileaks und seinen Gründer Julian Assange ist so viel geschrieben worden, dass es kaum noch etwas zu geben scheint, was nicht schon längst beleuchtet worden wäre. Die auf Englisch erschienene "unautorisierte Autobiografie" von Assange verspricht nun den Blick hinter die Kulissen.

 

Sehr nachvollziehbar erzählt Assange von seiner Kindheit und Jugend. Deutlich wird, was ihn vorwärtstreibt. "Ich glaube, wir haben eine angeborene Sehnsucht nach Gerechtigkeit", schreibt er. "Wir haben eine angeborene Abneigung gegen Zensur. Und das Web kann das erfüllen." Es sei ihm immer darum gegangen, die Privatsphäre der Leute zu schützen - etwa mit Hilfe von kryptografischer Software, mit der E-Mails verschlüsselt werden können. So habe er aber die Geheimhaltung von Institutionen bekämpft, die "sich so vor der Aufdeckung ihrer Schandtaten schützen" wollen.

Die Medien als Partner

Assange eignet sich damit nicht als Vorzeigefigur derjenigen, die ein Ende der Privatsphäre ausrufen. Es geht ihm um die Aufdeckung der Informationen, die für die Gesellschaft relevant sind. Das ist ihm ja gelungen: Die Veröffentlichung des Führungshandbuchs für das Gefangenenlager Guantánamo gehörte wie auch das Video "Collateral Murder" zu den ersten Enthüllungen, die die Meinung der Weltöffentlichkeit prägten. Zuletzt lösten die Depeschen des US-Außenministeriums vor allem in arabischen und südamerikanischen Staaten politische Skandale aus.

Von Anfang an sah Assange in den klassischen Medien Partner, die es nicht zu ersetzen galt. Schon früh habe er daran gedacht, dass Whistleblower selbst entscheiden sollen, an welche Publikation ihre Dokumente weitergereicht werden sollen. Von seinen Medienpartnerschaften zeigt er sich jedoch enttäuscht: "Sie wollen große Geschichten, aber sie können damit nicht umgehen, wenn es heiß wird." Der "Guardian" etwa hätte Wikileaks als politisches Schutzschild verwendet, statt sich vor Wikileaks zu stellen, das lediglich als Informant fungiert habe.

Buchveröffentlichung gegen Assanges Willen

Vergleichsweise mager wird jedoch der Rückblick, wenn es um kritische Ereignisse während der Wikileaks-Zeit geht. Wer die Autobiografie von Daniel Domscheit-Berg sowie die Bücher der "Guardian"- und "Spiegel"-Journalisten gelesen hat, dem fallen zahlreiche Auslassungen auf: Ungeklärt bleibt, wie es zu dem Bruch mit Daniel Domscheit-Berg kam. Mysteriös bleiben die Ausführungen zur technischen Sicherheit des Wikileaks-Systems. Auch bleibt unklar, wie es zur Veröffentlichung der unbearbeiteten Depeschen des US-Außenministeriums im Spätsommer 2011 kam. Dies ist aber dem Umstand geschuldet, dass die Veröffentlichung nur die erste Arbeitsversion aus dem Frühjahr ist, die der Verlag Canongate gegen den Willen von Assange publizierte. Ob Assange nun angesichts des anstehenden Prozesses in Schweden jemals Zeit für eine Überarbeitung finden wird, ist ungewiss. Der Aufklärung des "Falls Wikileaks" hat das hemdsärmlige Vorgehen des Verlags jedenfalls geschadet.