Bosch-Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach befürchtet gravierende Auswirkungen von Diesel-Fahrverboten auf den Absatz. Das Kraftfahrzeuggewerbe ist besorgt über einen sinkenden Marktanteil der Dieselautos. Ein weiterer Rückgang zeichnet sich ab.

Stuttgart - Die von der Landesregierung geplanten Fahrverbote für Dieselautos in Stuttgart stoßen bei Bosch-Aufsichtsratschef Franz Fehrenbach auf scharfe Kritik. In einem Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der dieser Zeitung vorliegt, befürchtet Fehrenbach, dass „das regelrechte Abwürgen“ des Diesels beschleunigt und nicht mehr zu verhindern sein werde. Viele Fahrer eines Dieselautos, so der Bosch-Aufsichtsratschef, entschieden sich jetzt vorsorglich grundsätzlich gegen Diesel. Es werde nicht mehr differenziert nach Feinstaub, NOX und CO2, sondern der Diesel werde pauschal zum Sündenbock abgestempelt. „Ich befürchte, dass nach diesem Kommunikations-Gau aufgrund des Kabinettsbeschlusses in ganz Deutschland das Ende des Diesel-Pkws eingeläutet wurde“, schreibt Fehrenbach.

 

Auch das Kraftfahrzeuggewerbe zeigt sich besorgt. „Mancher überlegt sich, ob er noch einen Diesel kaufen soll“, berichtet Harry Brambach, der Verbandspräsident des baden-württembergischen Kraftfahrzeuggewerbes. Durch die geplanten Diesel-Fahrverbote in Stuttgart hat laut Brambach die bereits seit dem vergangenen Sommer spürbare Verunsicherung noch zugenommen. Dies lasse sich auch an den Neuzulassungen für Personenwagen ablesen, erläutert der Verbandschef. In diesem Januar hatten rund 45 Prozent der Autos, die neu auf die deutschen Straßen kamen, einen Selbstzünder. Vor fünf Jahren lag der Diesel-Anteil noch über 51 Prozent.

Was Menschen in Stuttgart zu dem neuen Diesel-Fahrverbot sagen, berichten sie in unserer Video-Umfrage:

Das Kraftfahrzeuggewerbe fordert Planungssicherheit

In den kommenden Monaten und Jahren dürfte die Verunsicherung angesichts der Diskussion über Diesel-Fahrverbote noch zunehmen und den Absatz dämpfen, meint der Autoexperte Peter Fuß, der in Stuttgart Partner beim Beratungsunternehmen EY (Ernst & Young) ist. Darauf deutet auch eine Leserumfrage des Magazins „Auto, Motor und Sport“ hin. Danach wollten im Januar dieses Jahres nur noch 30 Prozent der Leser als nächsten Wagen ein Fahrzeug mit Dieselmotor kaufen. Vor zwei Jahren waren es noch 48 Prozent.

Nach den Plänen der Landesregierung sollen vom nächsten Jahr an im Stuttgarter Talkessel und in Teilen von Feuerbach und Zuffenhausen bei einem Feinstaubalarm grundsätzlich nur noch Dieselautos mit der neuesten Schadstoffklasse Euro 6 fahren dürfen. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Chef des Forschungsinstituts CAR in Duisburg, weist allerdings auf Risiken auch bei Euro-6-Diesel-Fahrzeugen hin: „Viele der heutigen Euro-6-Diesel sind im realen Fahrbetrieb in ihren Stickoxid-Emissionen erheblich schlechter als die gesetzliche Norm vorschreibt.“ Daher könne man nicht ausschließen, dass irgendwann auch Euro 6 zu „Problemdiesel“ werden. Wer diese Risiken vermeiden will, sollte genau prüfen, ob nicht der klassischer Benziner, der Hybrid-Benziner oder gar ein Elektroauto die bessere Alternative seien. Selbst Euro-6-Diesel sind nicht ohne Risiko.

Ein Sprecher des Verkehrsministeriums widerspricht indes dieser Einschätzung und zeigt sich zuversichtlich, dass mit den beschlossenen Maßnahmen die angestrebte Verringerung des Verkehrs erreicht werde. Im Rahmen eines Vergleichs mit zwei Stuttgarter Bürgern hatte sich die Landesregierung dazu verpflichtet, an Tagen mit Feinstaubalarm den Verkehr am Neckartor um 20 Prozent zu verringern. Das Kraftfahrzeuggewerbe rechnet nicht mit einer weiteren Verschärfung in absehbarer Zeit. „Sonst macht sich die Politik total unglaubwürdig“, meint Verbandschef Brambach.

Die Deutsche Umwelthilfe will alle Diesel aus der Stadt verbannen

Jürgen Resch, der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), will dagegen ein vollständiges Fahrverbot für Dieselautos in Städten durchsetzen. Dazu hat der Verband deutschlandweit eine ganze Reihe von Klagen eingereicht. Der Öko-Aktivist zeigt sich zuversichtlich, dass sein Verband auch in Stuttgart eine komplettes Fahrverbot erreichen wird und die Landesregierung ihre Maßnahmen noch verschärfen muss. Deshalb rät er nachdrücklich davon ab, einen Diesel zu kaufen.

Die Umwelthilfe will mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart durchsetzen, dass die Schadstoff-Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub im gesamten Stadtgebiet eingehalten werden müssen. Bisher wurden dazu nur Schriftsätze ausgetauscht, einen Termin für eine Verhandlung gibt es noch nicht. Reschs Zuversicht stützt sich unter anderem auf ein Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts, das im vergangenen September der Umwelthilfe Recht gegeben hat. Das Gericht entschied, dass in Düsseldorf Fahrverbote für Diesel „ernstlich geprüft und abgewogen“ werden müssten. Die staatliche Pflicht zum Gesundheitsschutz erfordere eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwerts, der seit 2010 überschritten werde, so die Richter. Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat jedoch Revision gegen dieses Urteil eingelegt. Nun muss das Bundesverwaltungsgericht entscheiden. Dessen Urteil wird im Sommer oder Herbst erwartet.