Diese Woche beginnt in Shanghai die wichtigste Automesse in China in diesem Jahr. Das Land gilt seit Jahren als die Wachstumslokomotive für den globalen Automarkt. Doch Experten sehen für deutsche Hersteller auch Risiken.

Chefredaktion: Anne Guhlich (agu)

Shanghai - Die deutschen Automanager reisen in dieser Woche bestens gelaunt zu der Branchenschau Shanghai Auto ins Reich der Mitte. Im ersten Quartal hat der chinesische Markt den Herstellern abermals Traumzahlen beschert. So gelang etwa dem Stuttgarter Autobauer Daimler ein Plus von fast 40 Prozent in den ersten drei Monaten. Mit 145 000 verkauften Autos ließen die Stuttgarter auch den Rivalen BMW hinter sich. Die Bayern kamen auf ein Plus von 12,4 Prozent und 143 000 verkaufte Autos. Der Sportwagenbauer Porsche verbuchte 18 126 verkaufte Einheiten – ein Plus von zehn Prozent.

 

China gilt seit Jahren als die Wachstumslokomotive für den globalen Automarkt. Nirgends werden so viele Fahrzeuge verkauft wir dort. Im vergangenen Jahr waren dies insgesamt 28 Millionen. Die Messe in Shanghai zeigt, in welche Richtung sich die deutschen Hersteller weiterentwickeln müssen, wenn die Erfolgswelle weiterrollen soll. „Shanghai 2017 demonstriert die Marktmacht der Chinesen und die Zukunftsthemen der Branche“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen. Im Brennpunkt der Messe stünden der Aufbruch in die Zeit der Elektroautos und die Vernetzung.

Mindestquote für Elektroautos

Dass der Umsatzanteil, den die Hersteller mit ihrem Chinageschäft machen, immer weiter steigt, birgt auch seine Risiken: „Die größte Herausforderung für deutsche Hersteller auf dem chinesischen Automarkt wird 2017 sein, sich nicht von gut laufenden Geschäften in China zu einem Einfach-weiter-so verleiten zu lassen“, sagt Mirjam Meissner, Leiterin des Programmbereichs Wirtschaft & Technologie am MERICS, unserer Zeitung. Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) in Berlin ist eines der weltweit größten China-Forschungseinrichtungen. „Auf dem chinesischen Markt stehen mittelfristig mit der Elektromobilität und der Digitalisierung rund um das Automobil grundlegende Umbrüche an, die schneller verlaufen dürften als in Europa und den USA“, so Meissner. „Diese Veränderungen könnten die Nachfrage nach deutschen Autos gefährden, wenn die deutschen Hersteller sich nicht bereits heute strategisch klug und umfassend neu aufstellen.“ Hier besteht nach ihrer Ansicht Nachholbedarf. „Ansonsten droht die Erfolgswelle deutscher Hersteller in China schon bald ein jähes Ende zu finden“, warnt sie.

Vergangenes Jahr etwa hat Peking die deutschen Autohersteller mit der Ankündigung einer Mindestquote für Elektroautos aufgeschreckt. Denn die Regierung will der enormen Schadstoffbelastung in den chinesischen Mega-Städten mit emissionsfreien Fahrzeugen begegnen. Schon jetzt ist China der größte Markt für Elektroautos. Letztes Jahr wurden weltweit 873 000 E-Autos und Plug-In-Hybride verkauft, rechnet Dudenhöffer vor. 507 000 davon in China. Jedoch: reichweitenstarke E-Autos aus Deutschland sind auf dem Markt derzeit nicht zu haben.

Leitmarkt für Elektromobilität

„Die Mindestquote für Elektroautos ist für alle auf dem chinesischen Markt tätigen Hersteller eine Herausforderung – für deutsche genauso wie für chinesische“, sagt Meissner. „Die chinesische Regierung will mit der Quote sicher stellen, dass die Umstellung auf Elektromobilität in China sobald wie möglich vonstattengeht.“ Langfristig dürfte ihrer Meinung nach aber China von dieser und den zahlreichen anderen Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität profitieren und sich weiter als Leitmarkt für Elektromobilität etablieren.

Dudenhöffer rechnet mit einem enormen Marktpotenzial für E-Autos in China. Er geht davon aus, dass der Anteil von Elektrofahrzeugen und Plug-In-Hybriden von derzeit 2,1 Prozent auf 30 Prozent im Jahr 2025 steigt. Den größten Marktschub erwartet er von 2020 an, wenn die deutschen Hersteller mit einem kompletteren Angebot reichweitenstarker E-Autos aufwarten können.

Extrasteuer für teure Luxusautos

Ein weiteres Beispiel zeigt, wie stark der Erfolg deutscher Hersteller in China auch von der jeweiligen Autopolitik Pekings abhängt. So hat die chinesische Regierung vergangenes Jahr kurzerhand eine Extrasteuer für teure Luxusautos eingeführt. Für Fahrzeuge, die mehr als 180 000 Euro kosten, gilt seitdem eine zusätzliche Steuer von zehn Prozent auf den Kaufpreis. Diese Zusatzsteuer trifft neben dem Maybach auch besser ausgestattete Modelle der S-Klasse. Bei Porsche sind besser ausgestattete Cayenne oder die 911er betroffen.

Jedoch gelten die chinesischen Kunden als durchaus zahlungskräftig, sodass deutsche Hersteller bislang nicht davon ausgehen, dass die Steuer größere Effekte haben wird. Schon jetzt sei ein Porsche in China ungefähr doppelt so teuer wie in Deutschland, sagte vor Kurzem Porsche-Produktionschef Albrecht Reimold im Interview mit unserer Zeitung. Und trotzdem habe Porsche 2016 mit 65 246 ausgelieferten Fahrzeugen mehr Autos in China verkauft als jemals zuvor.