Der Zulieferer Bosch spart nun auch im Bereich Automobilelektronik. Deutschlandweit will der Technologiekonzern rund 600 Arbeitsplätze in diesem Bereich streichen. Besonders betroffen ist der Standort Reutlingen.

Stuttgart - Der Autozulieferer Bosch streicht deutschlandweit in der Automobilelektronik rund 600 Arbeitsplätze. Betroffen ist vor allem der Standort Reutlingen; dort sollen in den kommenden drei Jahren 500 Stellen dem Rotstift zum Opfer fallen. Die restlichen Stellen sollen an den Standorten Salzgitter und Ansbach/Bayern wegfallen. In welchen Bereichen Stellen gestrichen werden, ist unklar. Das Beschäftigungsniveau soll in der Produktion, der Entwicklung, dem Vertrieb und der Verwaltung reduziert werden, heißt es bei Bosch.

 

Der Abbau soll „möglichst sozialverträglich“ – also über Altersteilzeit, Qualifizierungsmaßnahmen und Abfindungen – erfolgen, teilt das Unternehmen mit. Für den Standort Reutlingen gilt eine Beschäftigungssicherung; danach sind bis 2025 betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Bosch versichert, sich an diese Vereinbarung, die im Dezember 2018 abgeschlossen wurde, zu halten.

Der Betriebsrat wurde um 8.30 Uhr informiert

„Um unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, müssen wir – wie andere Unternehmen auch – unsere Strukturen und Kapazitäten an die gesunkene Nachfrage und den zunehmenden Preisdruck anpassen“, begründet Andreas Fischer, Mitglied des Bereichsvorstands Automotive Electronics, die Abbaupläne. Er verweist dabei auf die konjunkturelle Lage sowie die Transformation. „Der Bosch-Geschäftsbereich Automotive Electronics führt derzeit Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern“, teilt Bosch mit. Allerdings: Der Betriebsrat hat erst am Donnerstag, früh um 8.30 Uhr, von den Sparplänen in Reutlingen überhaupt erfahren, sagt Thorsten Dietter, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende des Standorts Reutlingen.

Kurze Zeit später seien die Führungskräfte und von den Führungskräften dann die Mitarbeiter informiert worden, erläutert Dietter den Informationsfluss. „Wir wurden vor vollendete Tatsachen gestellt“, fügt er hinzu. Dies sei untypisch für Bosch; traditionell hätten bei Bosch zunächst Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern stattgefunden. Dietter räumt ein, dass die Boomzeiten vorüber seien. Aber die Arbeitszeitkonten der Mitarbeiter seien noch gut gefüllt; teilweise gebe es Überstunden. „Bosch will die Beschäftigten für die Transformation zur Kasse bitten“, vermutet Tanja Silvana Grzesch, die IG Metallchef in von Reutlingen. Der Betriebsrat will am heutigen Freitag in kurzfristig einberufenen Informationsveranstaltungen den Beschäftigten seine Sicht der Dinge erläutern.

Auch in Smartphones steckt Bosch-Technologie

Bosch beschäftigt im Bereich Automobilelektronik deutschlandweit 13 000 Mitarbeiter, davon sind 8000 in Reutlingen tätig. Entwickelt und produziert werden elektronische Bauelemente, die sowohl im Auto als auch in der Konsumenten- und Unterhaltungselektronik zu finden sind. In Smartphones sorgen die elektronischen Winzlinge etwa dafür, dass sich der Bildschirm dreht. Im Auto steuern sie den Motor, den Schleuderschutz ESP oder als die Airbags. Auch Radarsensoren kommen ohne die Winzlinge nicht aus.

Technologisch sei Reutlingen für die Zukunft gerüstet, sagt Fischer. So sei erst kürzlich am Standort mit Siliziumkarbid-Halbleitern eine vielversprechende Zukunftstechnologie präsentiert worden. Das besondere dieser Mikrochips, die in Elektroautos stecken, ist, dass sie eine bessere Leistungsfähigkeit besitzen. Für den Autofahrer bedeutet das sechs Prozent mehr Reichweite. Neu ist auch die Schlüssel-App; im Auto verbaute Sensoren erkennen das Smartphone des Besitzers und öffnen das Fahrzeug nur für ihn. Weil Elektronik eine immer größere Bedeutung bekommt, hat Bosch vor kurzem den Grundstein für eine neue Halbleiterfabrik in Dresden gelegt. Technologisch gebe es keine Überschneidungen zwischen den beiden Fabriken.