Aussagen wie Kinder, die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden seien „Halbwesen“, bringen Autorin Sibylle Lewitscharoff heftige Kritik ein. Ein Professor der Uni Freiburg bezeichnet ihre Worte als „irrational“ und „unverantwortlich“.
Freiburg - Ihr Wort von den „Halbwesen“ hat die Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff inzwischen bereut, möchte es bezogen auf Kinder, die in künstlicher Befruchtung erzeugt wurden, gern „zurücknehmen“. An ihrer jüngst bei einem Auftritt im Dresdner Staatstheater geäußerten Kritik an der Reproduktionsmedizin insgesamt, an ihrem „Unbehagen“ will sie aber festhalten, so gab sie im ZDF zu Protokoll. Bestimmte Debatten müsse man doch wohl führen dürfen.
Womöglich dachte Lewitscharoff, sie könnte in dieser Haltung Giovanni Maio zum Verbündeten haben? Der aus Italien stammende Mediziner und Philosoph ist Professor für Bio- und Medizinethik an der Universität Freiburg, einer der führenden Experten auf diesem Gebiet, ein langjähriger Ratgeber der Politik. „Werdende Eltern unter dem wachsenden Druck vorgeburtlicher Diagnostik“: Maio warnt, wie der Untertitel dieses Buches schon vermuten lässt, vor einer Medizin, die den Menschen als zu perfektionierendes Produkt sieht. Muss so jemand nicht froh sein, wenn eine der besten Schriftstellerinnen des Landes seinen Themen zu breiter Aufmerksamkeit verhilft?
Lewitscharoff redet am eigentlichen Problem vorbei
Weit gefehlt. Das Urteil, das Maio auf entsprechende Fragen der Deutschen Presse-Agentur gibt, ist vernichtend. Die Aussagen von Lewitscharoff seien „alle abwegig“: „Sie bringt ein diffuses Unwohlsein zum Ausdruck, kann dieses aber weder richtig formulieren noch richtig begründen. Das halte ich für irrational.“ Geradezu in Brass versetzt den Mediziner Lewitscharoffs Rede von den „zweifelhaften Geschöpfen“: „Sie verwechselt hier die Künstlichkeit der Prozesse mit der Künstlichkeit der Menschen.“ Auch ein Mensch, der aus künstlicher Befruchtung hervorgehe, entstehe aus den gleichen Keimzellen wie jeder Mensch. Durch ihre undifferenzierte Pauschalkritik rede Lewitscharoff „am eigentlichen Problem der Reproduktionsmedizin vollkommen vorbei“. Und noch schlimmer: „Das, was sie bewirkt, ist ein reiner Schaden.“ Sie diskreditiere um Hilfe suchende Paare, das sei „unverantwortlich“.
Maios Schluss: „Die Art, wie sie kritisiert hat, ist so indiskutabel, dass dadurch gar keine gute Diskussion in Gang gesetzt wird.“ Oder kürzer gesagt: der Medizinethiker rät der öffentlich redenden Autorin erst mal dringend zum Repetitorium.