Das Familienunternehmen ist mit dem Großkunden aus Wolfsburg im Clinch – und zugleich auch mit einem Teil seiner Mitarbeiter. Denn die Belegschaft der Neue Halberg Guss (NHG) wehrt sich gegen die geplante Schließung des Werks Leipzig.

Stuttgart - Beim Autozulieferer Neue Halberg Guss (NHG) steht in den Fabriken Saarbrücken und Leipzig seit Ende vergangener Woche die Produktion still – zum Leidwesen unter anderem von Volkswagen, das auf die Lieferung von Motorblöcken und Zylinderköpfen verzichten muss. Eigentümer von NHG ist seit Jahresbeginn das Familienunternehmen Hastor. Volkswagen und Hastor – das lässt aufhorchen, denn im Sommer 2016 haben die Investoren dafür gesorgt, dass Volkswagen zeitweise die Bänder anhalten musste; die Hastors wollten höhere Preise für die Getriebeteile und Sitzbezüge ihrer Töchter ES Automobilguss und Car Trim. Im Fall NHG sind es freilich nicht die Eigentümer, die einen Kunden bestreiken. Im Ausstand sind die Mitarbeiter, die um ihre Jobs fürchten.

 

Ein Preisaufschlag von 500 Prozent

Entzündet hat sich der Streit zwischen NHG und Betriebsrat am Plan der Geschäftsführung, das Werk Leipzig bis Ende 2019 zu schließen. Dort arbeiten etwa 800 Männer und Frauen, davon 150 als Leiharbeiter. Den Hintergrund dazu liefert wiederum ein Streit über die Preise zwischen den Hastors und dem Volkswagen-Konzern, der deutlich mehr als die Hälfte des Umsatzes bringt. Die neuen Eigentümer verlangten Aufschläge für die einzelnen Produkte, in einem Fall nach Angaben eines Hastor-Sprechers von 500 Prozent. Nach einer Mitteilung der Geschäftsführung vom Monatsbeginn will VW nun „angemessene Preise“ zahlen, aber deutlich weniger abnehmen, als den früheren Eigentümern signalisiert worden war.

Die Hastors richten sich darauf ein, dass auch diese Menge noch einmal sinken wird, weil die VW-Tochter Scania im nächsten Jahr mit dem Bau einer eigenen Gießerei in Schweden beginnen will. Die Folge: „Das Werk Leipzig muss voraussichtlich bis Ende 2019 geschlossen werden“, heißt es in der Mitteilung; der Standort Saarbrücken könne die Produktion für andere Kunden, die bisher in Leipzig erfolgt ist, übernehmen. Das freilich lehnt die IG Metall ab. „Wir wollen eine Lösung, die auch bei einer möglichen Anpassung der Kapazitäten nach unten den Erhalt beider Standorte vorsieht“, sagt Patrick Selzer, der Zweiter Vorsitzender der IG Metall in Saarbrücken ist und für die Gewerkschaft die Verhandlungen führt. „Da lassen sich die Belegschaften in Saarbrücken und Leipzig nicht gegeneinander ausspielen.“

Die Arbeitnehmervertreter wollen alle Beschäftigten absichern

Die Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag sind in der vergangenen Woche erfolglos verlaufen. Hastor wirft der Gewerkschaft dabei vor, ohnehin den Streik geplant zu haben und „mit einer absurd hohen Forderung“ das Unternehmen in den Ruin zu treiben. Die Forderungen addieren sich aus Sicht des Investors auf 700 Millionen Euro. Das stellt Selzer infrage. „Wie das Management auf diese Zahl kommt, kann ich nicht nachvollziehen“, sagt er.

Auf jeden Fall geht es um viel Geld für den Zulieferer, der in der Vergangenheit 250 bis 280 Millionen Euro Umsatz verbucht und rote Zahlen geschrieben hat. Kern der Forderung der IG Metall sind Abfindungen in Höhe von 3,5 Monatsgehältern pro Jahr der Betriebszugehörigkeit für alle Mitarbeiter – auch für die Belegschaft in Saarbrücken; dort arbeiten 1500 Menschen, darunter 200 Leiharbeiter. Abfindungen sind nicht gesetzlich geregelt, sondern müssen ausgehandelt werden. 3,5 Monatsgehälter gelten als ungewöhnlich hoch.

Ein Treuhänder soll über die Finanzmittel wachen

Das Ansinnen weist der Investor entrüstet zurück, weil es im Saarland nach Angaben eines Sprechers im Zuge von Bemühungen zur Senkung der Kosten allenfalls zu einem Abbau von 300 Stellen kommen könnte. Einen Beschluss hierzu gibt es jedoch nicht.

Selzer sagt, dass die Forderung von IG Metall und Betriebsrat eine Treuhandlösung beinhalte. „Hastor“, so erläutert er den Plan, „muss die Abfindungen an einen Treuhänder zahlen. Dann bekommt im Fall der Kündigung der Mitarbeiter das Geld, oder es fließt beim Erhalt des Arbeitsplatzes nach und nach an das Unternehmen zurück.“ Auf Versprechungen will sich der Gewerkschafter nicht verlassen. „Es ist zwar gut, ein Konzept zu haben“, sagt er, „es steht aber erst einmal nur auf dem Papier. Wir brauchen belastbare Vereinbarungen, und die gibt es bisher nicht.“

Selzer kennt natürlich das Schicksal der Hastor-Töchter, die 2016 im Mittelpunkt des Konflikts mit VW standen. Damals wurde der Streit nur vordergründig beigelegt. In diesem Jahr kündigten die Wolfsburger die Verträge mit den Hastor-Gesellschaften ES Automobilguss und Car Trim. Hastor habe in der Vergangenheit Vertrauen verspielt, sagt Selzer: „So haben wir zum Beispiel gesehen, dass es bei der ES Automobilguss in Sachsen jetzt zu Kündigungen kommt. Und es gibt ja noch mehr Baustellen. Die Auseinandersetzungen des Investors mit Volkswagen und anderen Autoherstellern sind einfach eine Belastung.“

Am Mittwoch wird wieder verhandelt

Die Hastors richten sich derweil darauf ein, ab 2021 ohne VW auskommen zu müssen. „Die Neue Halberg Guss“, so heißt es selbstbewusst, „kann ohne den Kunden Volkswagen überleben.“

Auch über ihre gegenwärtige Beziehung sind sich Volkswagen und NHG nicht einig. Der Zulieferer steht auf dem Standpunkt, dass schriftliche Lieferverträge, die Planungssicherheit „bis in den Zeitraum 2021“ schaffen sollen, erst noch abgeschlossen werden müssen. Anders VW: Fakt sei, heißt es in einer Stellungnahme, dass VW mit der Neue Halberg Guss gültige und ungekündigte Lieferverträge habe.

Zunächst einmal werden sich am Mittwochnachmittag aber Geschäftsführung und Betriebsrat sowie IG Metall in Saarbrücken zu weiteren Verhandlungen über den Sozialtarifvertrag treffen. „Ich bin nicht sehr optimistisch, dass wir uns am Mittwoch einigen werden“, sagt Selzer. „Ich kann da kein Lösungsszenario erkennen.“ Und dann? „Wenn die Verhandlungen scheitern, dann werden wir weiter streiken“, fügt er hinzu.