So viel Stars und so viel Helden in einem Film sind selten: Das knallbunte Marvel-Comic-Universum schickt seine Kämpfer in „Avengers: Infinity War“ durch Länder, Fluten und Galaxien, um die Menschheit zu retten.

Stuttgart - Weniger ist mehr? Diese Behauptung wurde in den vergangenen Jahren von den Marvel-Studios mit den „Avengers“-Filmen konsequent widerlegt wurde. „Nur mehr ist mehr“ lautet heute die Devise in Hollywood: Mehr Budget, mehr Superhelden, mehr Schlachtengetöse, mehr Effekte bedeuten im durchfusionierten Filmgeschäft mehr Profit für immer weniger Konzerne. Mit bisher 18 Filmen – von „Iron Man“ (2008) bis hin zum aktuellen Kassenhit „Black Panther“ – hat Marvel sich in einem Geflecht aus Franchises, Sequels, Spin-offs und Mash-ups eine breite, treue Fanbasis herangezogen und damit Einspielergebnisse von insgesamt über 14 Milliarden Dollar generiert.

 

Ganz vorne in der Erfolgsbuchhaltung liegen dabei die „Avengers“-Filme, die zunächst in simpler Addition die firmeneigenen Superhelden miteinander antreten ließen und erst in der letzten Folge „Captain America: Civil War“ zu einer gewissen interaktiven Vertiefung vorgedrungen sind. Nun holt Marvel mit „Avengers: Infinity War“ zum ganz großen Finale aus: Über zwanzig Charaktere aus dem selbst ernannten Marvel Cinematic Universe (MCU) versammeln sich hier während der zweieinhalb Kinostunden auf der Leinwand. Schaut man sich all die Superheroen an, die aufs Filmplakat gequetscht wurden, stellt sich allerdings schon vor dem Besuch das Gefühl der Übersättigung ein.

Josh Brolin spielt den Schurken

Die Gefahr haben offensichtlich auch die Regie-Gebrüder Anthony und Joe Russo erkannt. Schon bald splitten sie das Heldenkollektiv in Kleingruppen auf und stellen ihm einen veritablen Bösewicht entgegen. Thanos nennt sich der riesenhafte Kerl, unter dessen digitaler Hülle Josh Brolin agiert. Man hat sich ja schon oft gefragt, warum Schurken in solchen Filmen immer die ganze Welt vernichten wollen und welche Perspektiven dieses Bestreben für deren zukünftige Lebens- und Wohnqualität eröffnet. Thanos hat nun eine deutlich nachhaltigere Agenda.

Nachdem er mit ansehen musste, wie sein Heimatplanet durch die Folgen der Überbevölkerung zugrunde gerichtet wurde, fühlt er sich zum Retter des Universums berufen. Einen Planet nach dem anderen sucht er mit seiner Armee auf, um die Hälfte der Bevölkerung zu liquidieren, so dass der Rest im gewohnter Weise weiterleben kann. Damit der selbst ernannte Erlöser seinen genozidären Plan auf das ganze Universum ausweiten kann und die Drehbuchschreiber nicht länger über ein Handlungsgerüst nachdenken müssen, braucht er sechs magische Steine, deren vereinte Wirkung ihm unermessliche Kräfte verleihen. Zwei davon sind im Besitz der Avengers. Der Rest ist kreuz und quer übers Universum verteilt. Und so muss sich das seit „Civil War“ zerstrittene Avengers-Kollektiv eben zusammenraufen.

Viel Gemetzel und Insiderwitze

Dabei entwickeln die Teambildungsprozesse einen hohen Unterhaltungswert: Der Hightech-Wissenschaftler Iron Man (Robert Downey jr.) muss sich mit dem Magier Dr. Strange (Benedict Cumberbatch) und Superhelden-Azubi Spider-Man (Tom Holland) zusammentun. Der durch Verlust von Familie und Heimatplanet gebeutelte Thor (Chris Hemsworth) gerät an die Spaßvogel-Besatzung von „Guardians of the Galaxy“, während der mit Transformationsproblemen kämpfende Hulk (Mark Ruffalo) und Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) den Zauberstein des Androiden Vision (Paul Bettany) zu beschützen versuchen. Leider erst im Finale findet der Film nach Wakanda, wo Black Panther (Chadwick Boseman) und seine stolzen Kriegerinnen sich gegen den übermächtigen Feind stellen.

Die ausufernde Planeten-Hoppelei mit rituellen Kampfgemetzeln und jeder Mengen Insiderwitzen würde wahrscheinlich ziemlich schnell Ermüdungserscheinungen freisetzen, wäre da nicht ein Bösewicht, der als schillernder Charakter die hektische Dramaturgie bündelt: Brolin gibt der Figur des Thanos durch das hypermaskuline Pixelkostüm hindurch neben aggressiver Potenz auch eine gewisse Grundmelancholie. Punktuell scheint sich dieser Erlöser des Universums der eigenen Wahnvorstellungen sogar bewusst zu sein.

Wirklichen Mut zum Unerwarteten beweisen die Gebrüder Russo und ihre Drehbuchautoren Christopher Markus und Steven McFeely jedoch in der Schlussauflösung, die das Sterben nicht nur den Statisten überlässt und in ihrer Radikalität wohl als einer der größten Cliffhanger in die Filmgeschichte eingehen wird. Den zweiten Teil des Finales, der bereits gedreht ist und 2019 in die Kinos kommt, dürften nicht nur Fans mit Spannung erwarten.