Eine Waiblinger Institution verändert sich: Die Avia-Tankstelle an der Querspange wird im August abgerissen. Das „Helmut & Helmut’s Kfz-Werkstättle“, das dort 33 Jahre lang war, zieht um.

Waiblingen - Es gibt Orte, die sind auf wunderbare Weise etwas aus der Zeit gefallen. Die Avia-Tankstelle samt Miniwerkstatt in der Waiblinger Stadtmitte beim Postplatz gehört dazu. Wenn die Temperatur es zulässt, machen es sich Kunden, Freunde und Bekannte in den leicht abgeschabten schwarzen Lederstühlen vor dem Kassenhäuschen bequem, halten ein Schwätzle, beobachten Passanten und den vorbeirauschenden Autoverkehr, und lassen sich den Geruch von Benzin um die Nase wehen – ein Hauch von mediterranem Flair im pietistisch geprägten Remstal.

 

Doch diese Tage sind gezählt, und so ist es kein Wunder, dass die Kundin, die an diesem heißen Julitag mit ihrem silberfarbenen Golf vorfährt, etwas aus dem Häuschen ist. Autotür auf, Maske zurecht gerückt, dann geht es los: „Seid ihr noch zu retten? Ihr könnt doch nicht einfach zumachen. Ich komm’ doch schon seit 20 Jahren!“ Tanja Gehring-Spahlinger kann die Frau beruhigen: die Werkstatt, in der ihr Mann Frank Gehring und sein Vater Helmut Bremsen und Kupplungen reparieren, kaputte Radlager austauschen und Reifen wechseln, wird es weiterhin geben. Nur halt nicht mehr mitten in Waiblingen, sondern draußen, im Gewerbegebiet Eisental. Dort kann dank mehr Platz statt an einer Hebebühne an zweien geschafft werden. Die kleine Tankstelle, die seit den 1960er-Jahren zum Stadtbild gehört, wird aber ganz schließen.

Helmut & Helmut: Tankstellenbetrieb läuft bis 31. Juli

Für das Ensemble in bester Lage läuft also der Countdown. „Bis zum 31. Juli ist hier Betrieb, im August wird alles eben gemacht“, berichtet Tanja Gehring-Spahlinger. Schade sei das schon, sagt die 47-Jährige: „Aber es muss ja weitergehen.“ Zuletzt sei der Pachtvertrag immer nur für zwei, drei Jahre verlängert worden – keine Perspektive für den Familienbetrieb.

Allerdings: Dass sie an diesem Ort ganze 33 Jahre würden bleiben können, hätten Helmut Spahlinger und Helmut Gehring, die Gründer von „Helmut & Helmut’s Kfz-Werkstättle“ seinerzeit nicht für möglich gehalten. „Als wir vom Vorgänger übernommen haben, wollte der schnell abgeben, weil er dachte, es wird bald abgerissen“, erinnert sich Helmut Gehring und schmunzelt. Als Nachfolger hatte sich der heute 73-jährige Kfz-Meister, der damals als Taxifahrer arbeitete, beworben. Er wollte weniger auf der Straße unterwegs sein. Dass sich Helmut Spahlinger ebenfalls als Pächter beworben hatte, erfuhr Gehring erst bei einem Gespräch, zu dem beide einbestellt wurden.

Dem Vorschlag, den Betrieb doch gemeinsam zu führen, stimmten die zwei Helmuts, die in ihrer Jugend mit ihren Mopeds Marke Kreidler Florett zusammen Waiblingen unsicher machten, gleich zu. „Ich bin gutmütig und Helmut Spahlinger ist noch viel gutmütiger“, begründet Helmut Gehring, wieso er sich eine Doppelspitze gleich gut vorstellen konnte: „Und wir haben in all den Jahren nie einen Streit gehabt.“

Ein harmonisches Miteinander in Waiblingen

Das harmonische Miteinander scheint sich vererbt zu haben. Denn auch die Sprösslinge der zwei kamen gut miteinander klar. So gut, dass sie schließlich geheiratet haben und nun Tag für Tag rund um die Uhr zusammen sind – in der Frei- wie der Arbeitszeit. Frank Gehring schraubt in der Werkstatt, Tanja Gehring-Spahlinger managt die Tankstelle, Termine und Finanzen. „Das funktioniert gut“, sagen die beiden. Und so machen in dem Zimmerchen, in dem Tanja Gehring-Spahlinger einst nach der Schule büffelte, inzwischen die Kinder der beiden ihre Hausaufgaben, meist in Gesellschaft der zwei Yorkshire Terrier Eddie und Rocky.

„1. April 1987. Ich war vom ersten Tag an dabei“, sagt Tanja Gehring-Spahlinger. Kassieren, Regale auffüllen, Bestellungen machen: „Das hat mir schon immer Spaß gemacht.“ Nach der Schulzeit lernte sie Friseurin, arbeitete nebenher fürs Werkstättle, das von 1997 an eine Dreifachspitze hatte, bestehend aus Vater und Sohn Gehring und Helmut Spahlinger, der inzwischen nicht mehr arbeitet. Ende der 1990er-Jahre stieg Tanja Gehring-Spahlinger ebenfalls ganz ein.

Mund-zu-Mund-Propaganda ist die beste Werbung

Seit dieser Zeit hat sich manches verändert. „Früher hatten wir bis 21 Uhr und sonn- und feiertags offen“, erzählt Helmut Gehring. Viel verdient habe man Sonntagvormittags freilich nicht: „Die Innenstadt war wie ausgestorben.“ Zu den Sonntagsdiensten brachte er seine Gitarre mit: „Da gab es dann einen inoffiziellen Frühschoppen.“ Die Öffnungszeiten sind nach und nach reduziert worden, und wenn sich die Preise ändern, muss keiner mehr auf die Leiter klettern und die Zahlen mühselig austauschen.

Das Gesellige ist geblieben, weshalb Frank Gehring den Betrieb gerne als „Begegnungsstätte“ bezeichnet. Auch die Geschäftsphilosophie erinnert an gute alte Zeiten, faire Preise inklusive. „Wir können gerne noch das Datum dazuzählen“, heißt es schon mal, wenn sich Kunden über eine niedrige Werkstattrechnung wundern. „Die Leute sollen zufrieden gehen“, sagt der 52-Jährige. „Und auch wieder kommen“, ergänzt seine Frau. Mund-zu-Mund-Propaganda, da sind sie sich einig, sei mehr wert als teure Werbung.

Im neuen Domizil in der Gewerbestraße werde dank zwei Hebebühnen hoffentlich alles etwas entspannter, sagt Frank Gehring: „Momentan geht alles just in time, sodass das Auto so schnell wie möglich runter von der Bühne kommt.“ Größere Arbeiten seien da derzeit fast nicht möglich. Für die Kundschaft, zu der viele in der Innenstadt Beschäftigte gehören, wird es einen Fahrservice geben. Die Familie ist sich ziemlich sicher, dass ihre Begegnungsstätte auch im Gewerbegebiet nicht leer bleibt. „Die Lederstühle gehen mit“, sagt Tanja Gehring-Spahlinger.