„Play fair, bei aware“ ist das Motto des Awareness-Teams unter Leitung von Remzi Bansbach (30) und Sidney Torlach (29). Ihre Homebase ist das Wizemann. Hier entstand die Idee, unter dem Wunsch von Geschäftsführer Matthias Mettmann, das Sicherheitskonzept der beliebten Veranstaltungslocation neu zu denken: „Awareness“ als Schnittstelle zwischen externen Security-Dienstleister:innen und Haussicherheit. „Wir möchten auf unseren Veranstaltungen und in unseren Räumen Voraussetzungen schaffen, unter denen sich alle Gäste, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung, dem Geschlecht, Alter, Aussehen oder auch den körperlichen Fähigkeiten und möglichen Beeinträchtigungen, selbstbestimmt und sicher fühlen können“, heißt es auf der Webseite.
Remzi erklärt: „Awareness ist für uns nicht bloß ein Schlagwort. Es steht für die Schaffung eines Umfelds, in dem sich jede:r, unabhängig von individuellen Hintergründen und Eigenschaften, sicher und respektiert fühlt.“ Entsprechende Verhaltensregeln sind ein wichtiger Teil von Awareness: „Wir haben einen klaren Code of Conduct, der besagt, dass Menschen, die zum Beispiel Gewalt ausüben oder sich rassistisch verhalten, nicht an unseren Veranstaltungen teilnehmen können oder diese verlassen müssen.“
„Wir müssen tatsächlich oft erklären, was Awareness genau bedeutet“
Das Team um Remzi und Sidney besteht aktuell aus zehn bis zwanzig Menschen, und setzt sich aus Wizemann-Mitarbeiter:innen sowie extern Angestellten zusammen, die in Workshops mit Initiativen und Vereinen wie zum Beispiel dem Wildwasser Stuttgart e.V. regelmäßig geschult werden. „Wir begreifen Awareness als laufenden Prozess, weil sich die Gesellschaft und Diskriminierungsformen stetig verändern.“
Seit dem Sommer 2023 arbeiten sie mit einem selbst aufgestellten Sicherheitskonzept samt festgelegten Richtlinien auf verschiedenen Veranstaltungen in der Stadt – zunächst für hauseigene Formate wie die Club Hybrid-Reihe, aufgrund größerer Nachfrage später auch als Dienstleister:innen für das HipHop Open im vergangenen Jahr (2023) sowie auf Open Air-Konzerten von Cro und Annemaykantereit oder der About Pop Konferenz (2024).
„Im vergangenen Jahr, als diese Rammstein-Debatte um Row Zero so hochgekocht ist, sind immer mehr externe Veranstalter:innen auf uns zugekommen“, erklärt Remzi. Durch die Präsenz steige zwar die Aufmerksamkeit für ihr Team, doch das Wort „Awareness“ und vor allem die Bedeutung dahinter sei noch lange nicht in der breiten Masse angekommen: „Gefühlt ist Awareness im Süddeutschen Raum noch nicht so etabliert. Wir müssen tatsächlich oft erklären, was das genau bedeutet und was wir da eigentlich machen“, so Sidney, der zuvor als Sozialarbeiter tätig war.
„Awareness kenne ich persönlich vor allem von Demos und aus der linken Subkultur. Es war lange eher ein Nischenthema, das vorwiegend von Kollektiven, Initiativen und Vereinen aufgegriffen und bearbeitet wurde“, so Remzi, der sich selbst seit Jahren in antirassistischen Gruppen engagiert.
In der Praxis bieten sie also ein „optionales, niederschwelliges Unterstützungsangebot“ für Gäste und betroffene Personen von beispielsweise sexualisierter Gewalt oder Rassismus an und sind vor Ort vor allem Ansprechpartner:innen für orientierungsloswirkende Menschen oder erste Anlaufstellen bei Unwohlsein und Panikattacken. „Außerdem versuchen wir präventiv zu arbeiten, Präsenz zu zeigen. Es gibt auf Veranstaltungen meist auch einen Space, der klar erkennbar ist. Aber wir sind mit unseren Teams auch proaktiv auf dem Gelände unterwegs, um zwischen der Menge Menschen direkt ansprechen zu können“, erklärt Sidney. Auch wenn man in Schulungen und der Theorie oft auf den „Worst Case“ hinarbeite, also zum Beispiel einen stattgefundenen sexualisierten oder rassistischen Übergriff, wolle man ja genau diesen verhindern. Bislang ist dieser glücklicherweise für das Team von Remzi und Sidney noch nicht eingetreten.
Mehr Budget für Awareness-Konzepte und Verantwortung von Veranstalter:innen
Leider fehle für Awareness häufig noch immer das grundlegende Verständnis. „Bei Partys, auf denen wir schon ein- bis zweimal im Einsatz waren und nichts ‚krasses’ passiert ist, kommen wir schnell zu dem Punkt, dass die Locations oder Veranstalter:innen überlegen, ob sie das Awareness-Team wirklich brauchen.“ Eine der größten Herausforderungen sei zudem das fehlende Budget vieler Veranstalter:innen: „Es ist oft ein grundlegendes Interesse da, teilweise stecken wir auch schon mitten in der Planung und dann ist es doch zu teuer, oder das Awareness-Konzept wurde noch nicht im Budget berücksichtigt.“
Remzi sagt, Veranstaltende müssen verstehen, dass sie eine gewisse Verantwortung haben. Auch wenn die zu Grunde liegenden Probleme strukturell sind. „Bei Veranstaltungen kommen verschiedene Menschen zusammen. Es ist wichtig, sich dem Thema Awareness zu stellen und diese sozialen Räume sicherer zu machen – sei es durch eigene Konzepte oder durch externe Unterstützung.“
„Es müssen gemeinsame Standards gesetzt werden“
Zwar gibt es immer mehr Angebote, auch auf Stadt- oder Landesebene. Diese sind wichtig, aber nicht ausreichend, so Remzi. „Wir brauchen parallel vor allem Maßnahmen gegen gewaltausübende Personen.“ Orte, an die sich betroffene Personen wenden können, haben eine hohe Relevanz, doch es brauche ergänzend auch proaktive Arbeit. Der 30-Jährige erklärt: „Es müssen gemeinsame Standards gesetzt werden.“ Lokal in Zusammenarbeit mit Betrieben und Einrichtungen des Nachtlebens wie für die im September 2023 ins Leben gerufene Awareness-Kampagne „we are aware“ sowie bundesweit durch Netzwerkarbeit.