Die Terrormiliz Islamischer Staat will für den Angriff eines jungen Afghanen auf Zugreisende in Würzburg verantwortlich sein. Fragen und Antworten zu afghanischen Migranten und der Welt, der sie entflohen sind.

Kabul - Der junge Afghane, der in einem Zug in Würzburg Fahrgäste mit einer Axt und einem Messer angegriffen hat, ist aus einem der ärmsten Länder der Welt geflohen. Seine Tat schockiert auch die Menschen in seiner Heimat - viele haben Verbindungen nach Deutschland.

 

1. Der junge Attentäter besaß eine handgemalte Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat. Ist der IS verbreitet in Afghanistan?

Den IS gibt es in Afghanistan erst seit Anfang 2015, und sein Wachstum ist auch wegen blutiger Rivalitäten mit den Taliben stark gebremst. Seine Kämpfer - angeblich derzeit rund 2500 - sind in nur ein bis zwei der 34 afghanischen Provinzen aktiv. US-Drohnen fliegen derzeit mehrmals wöchentlich Luftangriffe auf ihre Stellungen.

2. Wieso fliehen junge Afghanen aus ihrem Land?

Afghanistan ist immer noch eins der ärmsten Länder der Welt. Die Arbeitslosenrate wird auf etwa 40 Prozent geschätzt. Gleichzeitig verschlechtert sich die Sicherheitslage. Seit dem Ende der Nato-Kampfmission im Dezember 2014 fühlen sich die Taliban in vielen Provinzen ermutigt. 31 von 34 Provinzen waren nach UN-Angaben in 2015 von Gewalt betroffen. Vor allem junge Menschen und solche mit Schulbildung sehen keine Zukunft in Afghanistan.

3. Sind unter den Flüchtlingen viele Extremisten?

Das ist schwer festzustellen. Viele der jungen Flüchtlinge gehören zur dünnen Mittelschicht. Sie haben Schul- und manchmal auch Universitätsbildung. Das Interesse der großen Mehrheit scheint nicht der Dschihad, sondern ein besseres Leben zu sein. Allerdings nimmt dem Rechercheinstitut Afghanistan Analysts Network zufolge die Radikalisierung auch an Afghanistans Universitäten zu.

4. Fliehen weniger Afghanen, seit die Balkanroute geschlossen ist?

Es sieht so aus - aber gestoppt ist die Fluchtbewegung damit nicht. Einer der vielen Menschenschmuggler in Kabul sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass er im vergangenen Jahr täglich bis zu 25 bis 30 „Kunden“ außer Landes geschafft habe. Nun seien es zehn bis zwölf.

5. Wie sind die Reaktionen in Afghanistan?

Afghanische Medien berichten am Dienstag über die Tat. In der Hauptstadt Kabul sind die Menschen schockiert. Von hier sind Tausende Flüchtlinge nach Europa aufgebrochen, viele Menschen haben nun Verwandte und Freunde in Deutschland. Sie hoffen, dass nicht alle Afghanen wegen der Tat eines Einzelnen verurteilt werden. Das müsse „ein Psycho“ gewesen sein, sagt ein Wirtschaftsstudent, Said Taufik Jakin, 26. Aber man müsse auch bedenken, was ihn möglicherweise zu seiner Tat getrieben habe: „Ich höre von meinen Freunden in Deutschland, dass afghanische Flüchtlinge dort eine Menge Probleme haben.“