Kraftfahrzeugmechatroniker, Kaufmann und Friseurin sind beliebt. Dabei gibt es derzeit 328 verschiedene Ausbildungen, darunter viele weniger bekannte. In einer Serie stellen wir sie vor. Heute: Lisa Grün, die Fachkraft für Abwassertechnik.

Weil der Stadt - Die trübe Brühe rinnt durch das Reagenzglas. Lisa Grün hat die Flüssigkeit kurz zuvor vom Zulauf zur Kläranlage entnommen. „Jetzt muss ich schauen, wie gut sich der Schmutz abbaut“, erklärt sie. „So kann man sehen, ob das Wasser tatsächlich sauber wird.“

 

Chemische Sauerstoffbedarfs-Untersuchung nennt sich das – eine der Aufgaben, die für Lisa Grün als zukünftige Fachkraft für Abwassertechnik zur wöchentlichen Routine gehört. Sie steht in dem kleinen Kläranlagen-Labor, rot gekachelter Stehtisch, überall Reagenzgläser, Gefäße mit Flüssigkeiten – da kommt Chemieraum-Atmosphäre auf.

Genau das also, was Lisa Grün immer wollte. „Chemie und Bio fand ich schon in der Schule interessant“, sagt sie. Noch gut erinnert sich Lisa Grün, wie es damals in der Schule rauchte und zischte, einmal hat die Lehrerin eine ganze Plastiktüte voller Wasserstoff explodieren lassen.

Nur die Hälfte der Belegschaft, die gebraucht wird

Dass es aber in fast jeder Gemeinde eine Einrichtung gibt, in der man ebenfalls mit chemischen Stoffen hantiert – nämlich die Kläranlage – das war auch Lisa Grün damals nicht so ganz klar. Wie so vielen. „Das ist ein Beruf, der weniger populär ist“, sagt auch Volker Weber, der Leiter der Weiler Kläranlage. Neben ihrer Azubine arbeiten hier drei Männer, sie sind zuständig für die Anlagen in Weil der Stadt und in Schafhausen. „Das ist momentan nur die Hälfte der Belegschaft, die wir eigentlich bräuchten“, erklärt Weber. „Das geht aber allen so, wir suchen händeringend nach Personal.“

Schon fast dauerhaft abonniert ist daher auch die Stellenanzeige. „Diese Anzeige hab ich auch gesehen“, erinnert sich Azubine Lisa Grün. „Da hab ich mir gedacht, ich versuch’s einfach mal und bewerbe mich.“ Eigentlich wollte sie Tierpflegerin werden, vielleicht auch Bürokauffrau. Auf jeden Fall aber was praktisches, endlich weg von der Schule.

Und genau das ist auf der Kläranlage gefragt. Auf dem ganzen Gelände sind die Männer und die Frau hier unterwegs, schauen, ob alle Maschinen ordentlich laufen, nehmen Proben, kontrollieren die Außenbecken, führen dann Protokoll und schreiben alles genau auf. „Neulich zum Beispiel hatte der Grobrechen eine Störung“, erzählt Lisa Grün. „Da ging dann die Sicherung raus, und der Kollege, der Bereitschaft hatte, musste dann mitten in der Nacht raus, um den Schaden schnell zu beheben.“

Ohne die Kläranlage geht nichts mehr in der Stadt, ein verantwortungsvoller Beruf also, vor allem nachts und am Wochenende, wenn einer der Angestellten Bereitschaft schieben muss. „Es ist ein sicherer Arbeitsplatz“, hat Lisa Grün festgestellt. „Und falls ich mal Familie hab, ist Teilzeit auch problemlos möglich.“

All das will sie weitergeben, denn Klischees gibt es viele über ihren Beruf – und die meisten stimmen gar nicht. Freunde oder Bekannte rollen schon mal mit den Augen, wenn sie von ihrem neuen Beruf hören. „Kläranlage, da stinkt’s doch“, sagen sie dann, oder: „Die krabbeln doch den ganzen Tag durch schmutzige Kanäle.“ Das macht Lisa Grün definitiv nicht.

Es stinkt ja gar nicht so arg

Und auch das mit dem Geruch stört sie nicht. „Hier stinkt’s ja gar nicht so arg“, hätte neulich auch ein Schüler festgestellt, als sie eine vierte Klasse über die Kläranlage geführt hatte. Ihre allererste Führung war das, auch das gehört zum Job dazu. „Wenn sie die Kläranlage dann näher kennenlernen, finden viele schon, dass das ein interessanter Beruf ist“, berichtet Lisa Grün.

Nur drüben, in dem großen Behälter, wo der Schlamm drin ist, da müffelt es schon ein bisschen. Lisa Grün lächelt. „Da hab ich den Schülern gesagt, das kommt von Euch, das macht Ihr in die Toilette rein!“

„Und man trägt ja immer Handschuhe, zum Beispiel, wenn man mal ne Pumpe putzen muss“, sagt sie. Schminke, lackierte Fingernägel – auch für die Abwassertechnikerin Grün kein Problem. Sie genießt es also, als flotte Frau durchs Leben gehen zu können und trotzdem ihre Kinderträume ausleben zu können. Denn im Matsch rumtoben – das hat auch schon der kleinen Lisa Spaß gemacht. Wenn dann Feierabend ist, dann produziert Lisa Grün selbst erst mal Abwasser, dann geht es für sie nämlich kurz unter die Dusche.

Etwa 40 Azubis lernen den Beruf des Abwassertechnikers in Baden-Württemberg, darunter allerdings nur vier Frauen. „Das ist aber kein Problem“, sagt Lisa Grün nur. „Ich versteh mich mit den Jungs gut.“

Ob Junge oder Mädchen, der Chef der Kläranlage könnte auf jeden Fall mehr Azubis gut gebrauchen. „Das ist die ideale Verbindung von Handwerk, technischen Einrichtungen und Naturwissenschaft“, sagt Volker Weber. Er versucht, die Vorteile des öffentlichen Dienstes gegenüber der Konkurrenz von Bosch, Daimler und Co. herauszustellen: vor allem flexible Arbeitszeiten und einen sicheren Arbeitsplatz.

Lisa Grün jedenfalls fühlt sich wohl in Weil der Stadt, wo sie schon aufgewachsen ist und zur Schule ging – und schon jetzt eine feste Stellenzusage hat, wenn sie die Lehre besteht. „Später kann ich dann meine Meisterin hier machen“, sagt sie. „Dann hat man gute Chancen, auch Chefin einer Kläranlage zu werden.“