Ein unglaublicher Vorgang: Ein Autofahrer wendet im Stau auf einer Bundesstraße und fährt als Geisterfahrer durch die Rettungsgasse zurück. Jetzt ist er ermittelt. Was droht ihm?

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Stuttgart - Vielleicht wäre er damit durchgekommen. Immerhin war es nur eine einzige Autofahrerin, die sich die Mühe gemacht hatte, die Polizei über die gefährliche Geisterfahrt auf der B 27 bei Filderstadt zu informieren. Dabei hatte der Fiat-Fahrer am 3. April zahlreiche Autofahrer verblüfft, als er im kilometerlangen Stau einfach wendete und durch das Spalier der Blechkolonnen als Falschfahrer zurückfuhr. Der Fall machte großes Aufsehen, „doch danach hat sich kein weiterer Zeuge gemeldet“, sagt Polizeisprecher Michael Schaal.

 

Der Verkehrssünder konnte trotzdem ermittelt werden. In einer Gemeinde im Landkreis Reutlingen hat die Polizei den silberfarbenen Fiat Stilo aufgespürt. Offenbar hat der Fahrer schon auf die Beamten gewartet. „Er hat sich jedenfalls sehr reumütig gezeigt“, sagt Polizeisprecher Schaal. Doch warum hatte er sich dann nicht selbst gemeldet – und was war sein Motiv?

Und dann drehte er einfach um

Ein schwerer Unfall hatte am 3. April um 15.50 Uhr den Verkehr auf den Fildern auf der Bundesstraße in Richtung Tübingen und Reutlingen lahmgelegt. Eine 55-jährige Audi-Fahrerin hatte am Abzweig der B 312 nach Aichtal und Reutlingen die Kontrolle verloren, die Leitplanken und zwei Fahrzeuge gerammt. Die Verursacherin wurde mit einem Rettungshubschrauber zu einer Klinik geflogen. Die Strecke wurde gesperrt, es kam zu einem kilometerlangen Stau.

Etwa eine Stunde später dürfte der Fiat-Fahrer die Geduld verloren haben – und wagte ein gefährliches und verbotenes Manöver. Die Rettungsgasse versprach freie Fahrt. Er drehte kurzerhand um und fuhr etwa 200 Meter retour zur Anschlussstelle Filderstadt-West bei Plattenhardt. Viele im Stau stehenden Verkehrsteilnehmer hätten gehupt, berichtete die Autofahrerin, die fast mit dem Geisterfahrer zusammengestoßen wäre. Dann verschwand der Falschfahrer.

Streit auf dem Standstreifen

Unglaubliche Erlebnisse mit Rettungsgassen gibt es vor allem auf den Autobahnen. Und da kann das für Stuttgart zuständige Polizeipräsidium Ludwigsburg reichlich Geschichten erzählen. Am 20. März hatte man auf der A 81 zwischen Zuffenhausen und Ludwigsburg-Süd gleich 15 Autofahrer anzeigen müssen, weil die keine Rettungsgasse gebildet hatten. Besonders dreist war ein 50-Jähriger, der sich auf der A 81 zwischen Feuerbach und Zuffenhausen zwischen zwei Einsatzfahrzeuge mogelte und so die freigemachte Rettungsgasse nutzte.

Einen eigensinnigen Mercedes-Fahrer gab es auf der A 81 bei Ehningen (Kreis Böblingen). Während die anderen Autofahrer brav eine Rettungsgasse bildeten, wollte der Unbekannte unbedingt auf dem Standstreifen an allen ganz rechts vorbeifahren. Weil die aber für die Rettungsgasse in Beschlag genommen worden war, zettelte der Mercedes-Fahrer einen Streit an und schlug einen 28-Jährigen mit der Faust nieder.

Und manche „hören“ das Blaulicht nicht

Im letzten Jahr registrierte die Ludwigsburger Polizei auf den Autobahnen 420 Rettungsgassenverstöße. „Da gibt es viele Ausreden“, sagt Polizeisprecherin Tatjana Wimmer. Man habe einem Gegenstand ausweichen müssen oder wegen des Vordermanns keinen Platz machen können. Oder, so die Sprecherin, man habe „das Blaulicht nicht gehört“. In der Flensburger Verkehrssünderdatei sind 1700 Verstöße wegen Nichtbildens einer Rettungsgasse erfasst.

Bei dem Geisterfahrer auf der B 27 handelt es sich um einen 24 Jahre alten Studenten. Eine besondere Vorlesung droht ihm beim Staatsanwalt. Womöglich geht es dabei nicht nur um zwei Punkte oder 200 Euro Bußgeld. Sondern um die Straftat einer Straßenverkehrsgefährdung – und da würde eine saftige Geldstrafe drohen.