In der Kinderklinik Esslingen ist ein 24 Stunden altes Baby ausgesetzt worden. Die Staatsanwaltschaft nimmt aber keine Ermittlungen auf.

Esslingen - Auf dem Tresen der Hals-Nasen-Ohren-Abteilung in der Kinderklinik Esslingen liegen in der Regel Aufnahmepapiere, keine Babys. Felix, der Glückliche, hat sich nicht an die Regel gehalten. Das Findelkind, gerade mal 24 Stunden alt, ist am Montag um die Mittagszeit von den Stationsschwestern gefunden worden. Der kleine Bub, der unbemerkt in diesem eher ruhigen Bereich der Klinik abgelegt worden war, ist gesund und wohlauf.

 

"Wir gehen davon aus, dass das Kind nicht in einem Krankenhaus zur Welt gekommen ist", sagt Anja Dietze, die Pressesprecherin des Städtischen Klinikums Esslingen. Die unfachmännische Durchtrennung der Nabelschnur lege diese Vermutung nahe.

Ansonsten aber sei der von den Schwestern spontan auf den Namen Felix getaufte Bub unversehrt und bei allerbester Gesundheit. Der beim Auffinden mit einem Hemdchen und einer Hose bekleidete Bub mache, was alle Kinder in seinem Alter machten. "Er schläft und trinkt im Wechsel", sagt Anja Dietze.

Die Mutter hat verantwortungsbewusst gehandelt

Die Stationsschwestern verständigten sofort die Polizei, doch diese beschränkte sich darauf, den Fall zu Protokoll zu nehmen. "Wir oder die Staatsanwaltschaft haben keinen Grund, nach der Mutter oder dem Vater zu fahnden", erklärt die Polizeisprecherin Christine Menyhart.

Das Kind sei gesund, und es mache für die Ermittlungsbehörden keinen Unterschied, ob ein Kind anonym in einer Babyklappe oder aber in einer qualifizierten Einrichtung wie in einer Kinderklinik abgegeben würde. "Die Person, die das Baby auf den Tresen gelegt hat, hatte sicherstellen wollen, dass das Baby im Krankenhaus gut versorgt wird. Sie hat demnach durchdacht und richtig gehandelt", sagt Menyhart.

Eine Adoptionsfamilie ist bereits gefunden

Während der kleine Felix von dem fachkundigen Personal der Kinderklinik umsorgt wird, sind im Esslinger Landratsamt gestern die Weichen für sein weiteres Erdendasein gestellt worden. "Wir gehen davon aus, dass das zuständige Familiengericht das Landratsamt als Vormund bestellt", sagt der Pressesprecher Peter Keck.

Gleichzeitig habe der Soziale Dienst des Landkreises Kontakt zu einer Familie aufgenommen, die bereit sei, das Baby zu adoptieren - auch auf das theoretische Risiko hin, dass die leiblichen Eltern sich doch noch melden und den kleinen Felix zu sich nehmen würden. "Bei normalen Adoptionen beträgt die Widerrufsfrist acht Wochen. Im vorliegenden Sonderfall ist sie sicher um einiges kürzer", sagt Keck.

Seiner Einschätzung nach dürfte der kleine Felix schon in zwei bis drei Tagen in sein neues Zuhause einziehen. "Das geht relativ schnell", sagt der Pressesprecher. Bei der Suche nach einer Adoptionsfamilie können die Behörden auf eine lange Warteliste zurückgreifen.

"Wir vermitteln pro Jahr im Schnitt acht Adoptionen. Die Zahl der adoptionsbereiten Familien ist um ein Mehrfaches höher", sagt Keck. Schon in den Jahren 2004 und 2007 waren seinen Worten zufolge im Kreis Esslingen Babys ausgesetzt worden. Beide würden inzwischen in Adoptionsfamilien aufwachsen.

Viele Mütter holen ihre Babys wieder zurück

Im Landkreis Esslingen gibt es keine ausgewiesene Babyklappe, an der Mütter in Notlagen ihr Kind anonym ablegen können. Die nächstgelegene Einrichtung dieser Art befindet sich im Stuttgarter Weraheim. Die Babyklappe dort ist eine von inzwischen sieben Stationen in Baden-Württemberg.

Die erste Babyklappe im Land war im Oktober des Jahres 2001 in Karlsruhe eingerichtet worden. Sie wird von der Hardtstiftung betreut. Anlässlich des Zehn-Jahr-Jubiläums hat der Stiftungsdirektor Michael Schröpfer kürzlich darauf hingewiesen, dass von den in Karlsruhe bisher abgegebenen 50 Babys rund ein Drittel binnen weniger Tage von ihren Müttern wieder zurückgeholt worden seien.

Der allerletzte Ausweg für Mütter

Findelkinder Im Kreis Esslingen sind in den vergangenen zehn Jahren drei Babys ausgesetzt worden: Zwei sind in Krankenhäusern abgelegt worden, eins bei der Polizei. Die beiden 2004 und 2007 abgelegten Säuglinge sind adoptiert worden. Das Landratsamt Esslingen, das in diesen Fällen vom Familiengericht die Vormundschaft übertragen bekommt, wird auch für Felix Adoptionseltern suchen.

Babyklappe Um Mütter in Not vor einer Verzweiflungstat zu bewahren, sind an mittlerweile sieben Standorten im Land Babyklappen eingerichtet worden. Die Klappen, die die Möglichkeit bieten, einen Säugling anonym und straffrei dort abzulegen, sind nicht unumstritten. Nach Einschätzung der Esslinger Polizei hat die unbekannte Mutter von Felix die Kinderklinik im Sinne einer Babyklappe benutzt. Sie bleibt dabei unbehelligt. adt