Komplexer denn je, vor atemberaubender Kulisse und gespickt mit historischen Anspielungen steuert die Serie „Babylon Berlin“ in ihrer vierten Staffel auf das Ende der Weimarer Republik zu.

Der Sound der Goldenen Zwanziger hallt noch nach in der 4. Staffel der Serie „Babylon Berlin“: „Ein Tag wie Gold“ singt Max Raabe und später, beim Damen-Tanzmarathon im mondänen Club Moka Efti, die Unterwelt-Gattin Esther Kasabian(Meret Becker). Doch der prall gefüllt Saal beim Wettbewerb um 1000 Reichsmark zeigt schon deutlich die Wirtschaftskrise – Zehntausende sind oder werden im Jahr 1931 noch arbeitslos.

 

Das beflügelt radikale Kräfte. Nazi-Schergen der SA marschieren auf, greifen jüdische Geschäfte und deren Inhaber an – unter dem Schutz der Polizei. Die Kriminalassistentin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) trifft dort unerwartet den Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch), und es kommt zu einem Missverständnis zwischen den beiden, die sich schon lange in gegenseitiger Anziehung umkreisen. Ob daraus endlich etwas wird, ist unter anderem Gegenstand dieser vierten Staffel.

Viele ineinander verschränkte Parallelhandlungen

Als Vorlage diente den Showrunnern Tom Tykwer, Achim von Borries und Henk Handloetgen nach Volker Kutschers Roman „Goldstein“. Die Anlage der Serie wird hier komplexer denn je mit einer Vielzahl ineinander verschränkter Parallelhandlungen – doch den Machern gelingt es, stringent zu erzählen wie aus einem Guss.

Der ebenso exzentrische wie steinreiche Industriemagnat Alfred Nyssen (Lars Eidinger) hat Ärger, weil seine Mutter Annemarie (Marie Anne Fliegel) sein neues Herzblatt nicht ausstehen kann, Raths Ex-Frau Helga (Hannah Herzsprung). bekommt es wegen eines gestohlenen Edelsteins im Familienbesitz mit einem skrupellosen jüdischen Gangster aus New York zu tun, der in Berlin aufgewachsen ist, nun aber sehr fremdelt mit seiner früheren Heimat.

Neue Beweise gegen die illegale Aufrüstung der Reichswehr

Derweil entwickelt Nyssen neuartige Waffen, auf die die heimlich aufrüstende Reichswehr nur wartet, die damit gegen den Versailler Vertrag verstößt. Ihr auf der Spur sind die Journalisten Katelbach (Karl Markovics) und Heymann (Martin Wuttke), die deshalb ins Visier rechter Justizkreise geraten sind. Mit Hilfe der Wittwe Behnke (Fritzi Haberlandt), dem Rechtsanwalt Litten (Trystan Pütter) und der linken Generalstochter Malu Seegers (Saskia Rosendahl) versuchen Rath und Ritter in einer grandiosen Täuschungsaktion, weiteres Beweismaterial zu erlangen.

Bei den Nazis ist die Führung um Hitler in München nicht glücklich über die randalierende SA unter dem aggressiven Oberleutnant Stennes (Hanno Koffler). Der bekommt es mit dem sympathisierenden Oberst und Regierungsrat Wendt (Benno Fürmann) zu tun, welcher wiederum wegen persönlicher Neigungen ins Fadenkreuz gerät.

Atemberaubende Kulissen

Charlottes Schwester Toni (Irene Böhm) ist inzwischen als kleinkriminelles Straßenkind polizeibekannt, ein Selbstjustizverein namens „Weiße Hand“ treibt sein Unwesen, und der ominöse Psychiater Dr. Schmidt (Jens Harzer) forscht an einer Substanz, die wach und aggressiv macht – und im Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle spielen wird.

Die vielfältigen historischen Anspielungen rahmen den bevorstehenden Untergang der Weimarer Republik stimmig ein, und der Szenenbildner Uli Hanisch („Das Damengambit“) hat erneut atemberaubende Arbeit gelistet. Ob beim Tanzmarathon oder in der Sequenz am Schlesischen Bahnhof mit Dampfzug und Bahnsteigkiosk: Man fühlt sich beim Zuschauen, als wäre man wirklich im Berlin des Jahres 1931.

Liv Lisa Fries sticht heraus

Aus dem starken Ensemble ragt wie in den vorigen Staffeln besonders Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter heraus. Sich macht in ihrer Figur alle Gefühlszustände der damaligen Zeit sichtbar, während sie sanft berlinernd die richtigen Fragen stellt, trickreich das Dasein meistert oder lebenslustig die Depression wegzutanzen versucht.

Seit 8. Oktober ist die vierte Staffel von „Babylon Berlin“ beim Pay-TV-Anbieter Sky zu sehen. 2023 wird sie frei in der ARD ausgestrahlt – ein Termin steht noch nicht fest.