Kultur: Stefan Kister (kir)

Vermutlich hätte etwas des aus diesen Leerformeln gewichenen Geistes die Katastrophe verhindern können, in der sich Tierschutz und Menschenhass freilich so eigentümlich verschränken, wie es nur eine ausgebuffte Komödienpraktikerin arrangieren kann. Selbst auf dem in pessimistischem Schwarz gehaltenen Untergrund dieses Romans spielen die Glanzlichter eines entwaffnenden Witzes. Und sie leuchten umso klarer, je ernster die Verhältnisse erscheinen, die ihm zum Anlass werden. Vielleicht ist „Babylon“ deshalb bisher Rezas reifstes Werk.

 

Ihre szenischen Bravourstücke, die sie zu einer der meistgespielten Bühnenautorinnen unserer Zeit gemacht haben, leben vor allem von der gehobenen Kunst der Vernichtung, von der spitzen Eleganz, mit der sie die aufgeblasenen Eitelkeiten bürgerlich-zivilisatorischen Selbstgefühls zum Platzen bringt. Dieser Roman jedoch kennt auch den Schmerz, mit dem mancher effektvolle Coup de Theatre im Leben der Betroffenen einschlägt. Die technische Brillanz, mit der die Bühnenautorin ihre Figuren vorführt, ist hier unterfüttert von einer menschlichen Dimension. Auch wenn die misanthropisch aufgelegte Erzählerin aus dieser Beobachtung leerformelverdächtige Betulichkeiten wie „menschliche Dimension“ sofort herausbeißen würde.

Schattenhafte Gemeinschaft

Wo die Komödie mitleidlos Typen verfeuert, zeigt dieser aus Nahaufnahmen gebaute Roman Individuen. Seine traurigen Figuren spiegeln sich in dem heimlich mitgeblätterten Bildband des Schweizer Fotografen Robert Frank, der in den fünfziger Jahren durch die USA gereist war, und was er sah in etwas mehr als achtzig Fotografiegeschichte schreibenden Aufnahmen festgehalten hat. „The Americans“ ist für die Erzählerin das traurigste Buch der Welt. „Die Helden wirken, als hätten sie niemanden. Das kennzeichnet sie. Sie befinden sich am Rande der Straßen, der Bänke und Säle, auf der Suche nach etwas, das sie nicht finden werden. Dann und wann einmal stehen sie strahlend in einem vergänglichen Licht.“

In diese schattenhafte Gemeinschaft findet sich am Ende auch jener Mann im veilchenblauen Hemd und dem champagnergeröteten Gesicht eingereiht. Er ist aus dem Leben gefallen wie das jüdische Volk in der babylonischen Gefangenschaft, die dem Roman den Titel gab. Und so wäre hier eigentlich alles auf einen elegischen Ton gestimmt, wenn es nicht eben zu der staunenswerten Gabe Yasmina Rezas gehören würde, die Weltverneinungslitaneien dieses Buches mit einer vom kalten Hohn früherer Theatertriumphe geheilten, umso unwiderstehlicheren Komik zu untermalen.

Das lässt hoffen, für das Leben, aber auch für die Kunst des diesjährigen Gastlands der Frankfurter Buchmesse: Denn wie sonst könnte man französische Lebenskunst besser beschreiben als durch das Vermögen, Schweres leicht erscheinen zu lassen.

Nebenbei: Wie nichtssagend die Erzählerin solche abgeschliffenen Wendungen wie „gesellschaftlicher Zusammenhalt“ findet! Toleranz – ein Konzept, wie einer ihrer Gäste meint, das nur gepaart mit Gleichgültigkeit funktioniere, andernfalls in sich zusammenbreche. Das Wort von der „inneren Einkehr“: „Seit die Welt mit Riesenschritten auf ein unbeschreibliches Chaos zusteuert, ist es schwer in Mode. Politiker und Bürger ergehen sich unablässig in innerer Einkehr. Ich ziehe frühere Zeiten vor, als man noch den Kopf des Feindes auf einen Stecken gespießt nach Hause trug.“

Tierschutz und Menschenhass

Vermutlich hätte etwas des aus diesen Leerformeln gewichenen Geistes die Katastrophe verhindern können, in der sich Tierschutz und Menschenhass freilich so eigentümlich verschränken, wie es nur eine ausgebuffte Komödienpraktikerin arrangieren kann. Selbst auf dem in pessimistischem Schwarz gehaltenen Untergrund dieses Romans spielen die Glanzlichter eines entwaffnenden Witzes. Und sie leuchten umso klarer, je ernster die Verhältnisse erscheinen, die ihm zum Anlass werden. Vielleicht ist „Babylon“ deshalb bisher Rezas reifstes Werk.

Ihre szenischen Bravourstücke, die sie zu einer der meistgespielten Bühnenautorinnen unserer Zeit gemacht haben, leben vor allem von der gehobenen Kunst der Vernichtung, von der spitzen Eleganz, mit der sie die aufgeblasenen Eitelkeiten bürgerlich-zivilisatorischen Selbstgefühls zum Platzen bringt. Dieser Roman jedoch kennt auch den Schmerz, mit dem mancher effektvolle Coup de Theatre im Leben der Betroffenen einschlägt. Die technische Brillanz, mit der die Bühnenautorin ihre Figuren vorführt, ist hier unterfüttert von einer menschlichen Dimension. Auch wenn die misanthropisch aufgelegte Erzählerin aus dieser Beobachtung leerformelverdächtige Betulichkeiten wie „menschliche Dimension“ sofort herausbeißen würde.

Schattenhafte Gemeinschaft

Wo die Komödie mitleidlos Typen verfeuert, zeigt dieser aus Nahaufnahmen gebaute Roman Individuen. Seine traurigen Figuren spiegeln sich in dem heimlich mitgeblätterten Bildband des Schweizer Fotografen Robert Frank, der in den fünfziger Jahren durch die USA gereist war, und was er sah in etwas mehr als achtzig Fotografiegeschichte schreibenden Aufnahmen festgehalten hat. „The Americans“ ist für die Erzählerin das traurigste Buch der Welt. „Die Helden wirken, als hätten sie niemanden. Das kennzeichnet sie. Sie befinden sich am Rande der Straßen, der Bänke und Säle, auf der Suche nach etwas, das sie nicht finden werden. Dann und wann einmal stehen sie strahlend in einem vergänglichen Licht.“

In diese schattenhafte Gemeinschaft findet sich am Ende auch jener Mann im veilchenblauen Hemd und dem champagnergeröteten Gesicht eingereiht. Er ist aus dem Leben gefallen wie das jüdische Volk in der babylonischen Gefangenschaft, die dem Roman den Titel gab. Und so wäre hier eigentlich alles auf einen elegischen Ton gestimmt, wenn es nicht eben zu der staunenswerten Gabe Yasmina Rezas gehören würde, die Weltverneinungslitaneien dieses Buches mit einer vom kalten Hohn früherer Theatertriumphe geheilten, umso unwiderstehlicheren Komik zu untermalen.

Das lässt hoffen, für das Leben, aber auch für die Kunst des diesjährigen Gastlands der Frankfurter Buchmesse: Denn wie sonst könnte man französische Lebenskunst besser beschreiben als durch das Vermögen, Schweres leicht erscheinen zu lassen.