Eine Handwerkszunft ist auf der Suche nach neuen Wegen – indem sie sich auf Altbewährtes besinnt. Und vor allem auf Qualität setzt. Die Bäckermeister Jörg Schmid und Jochen Baier wollen die Kunden mit unterschiedlichen Philosophien für das Kulturgut Brot begeistern und brennen beide für ihre Leidenschaft.

Stuttgart - Wenn Jörg Schmid irgendwo ein Brot isst, kann er nicht umhin, es einer umfassenden Analyse zu unterziehen. Er schaut sich die Porung des Brotes an, bewertet die Farbe und Konsistenz der Kruste. Er hält sich das Brot ans Ohr, drückt es leicht und hört dann, wie es leise knackt. Und natürlich analysiert er die Aromen und schmeckt heraus, ob zum Beispiel Anis, Fenchel, Koriander oder Kümmel in dem Brot enthalten sind. Der 35-Jährige aus Gomaringen ist nicht nur Bäckermeister, sondern einer von 50 Brotsommeliers in Deutschland. „Der Bäckermeister weiß, wie man Brot macht, der Sommelier versteht es“, sagt Schmid. Denn Brot ist nicht gleich Brot.

 

Am Samstag, 22. Dezember, können auch die Stuttgarter unter dem Motto „Weinliebe trifft Brotkult“ in der Weinmanufaktur in Untertürkheim in den Genuss von Schmids Sortiment kommen. Seit November läuft dieses Projekt. Schmid will dabei austarieren, ob er mit seinen Kreationen auch den Nerv der Stuttgarter trifft. „Inzwischen kommen auch Kunden, die nur Brot und gar keinen Wein kaufen“, sagt Karin Rebmann von der Weinmanufaktur. Als Brotsommelier will er die Menschen sensibilisieren für das Schmecken der feinen Röstaromen, die sich beim Brechen von frischem Brot entfalten.

Welches Brot passt zu welchem Wein?

Es ist ein Spiel mit den Sinnen. Seine Brote haben so lustige Namen wie Macho Baguette, dass durch Beigabe von Sepia eine schwarze Farbe bekommt, das weibliche Pendant Tussie Baguette wartet mit roter Beete und Chili auf. Aber es gibt auch das klassische Dinkelkult oder das Pane Maggiore aus dem besonderen Ruchmehl aus dem schweizerischen Flums. Doch welches Brot passt zu welchem Wein? „Zum Riesling passt ein Baguette, zum Roten eher ein Roggenbrot“, sagt Schmid.

In der Stuttgarter Markthalle vermittelt mit dem Herrenberger Jochen Baier ein weiterer Nicht-Stuttgarter die besondere Wertigkeit des Brotes und lädt seine Kunden auch gerne zu Verkostungen ein. Der 46-Jährige darf sich seit diesem Jahr World Baker of the Year 2018 nennen. Baier setzt vor allem auf ausgewählte Zutaten und bezieht sein

Zeit ist der wichtigste Rohstoff

Beide verstehen sich als Botschafter für ihr Handwerk. Schmid macht es in der vierten, Baier sogar schon in der sechsten Generation. „Die Wertigkeit des Berufs ist wieder gestiegen und auch die Kunden kommen zurück zum Ursprung“, sagt Baier. Doch was macht ein gutes Brot aus? Auf die Kruste kommt es an. Dort sitzen zum einen 80 Prozent der Aromen und sie ist auch ein Indikator dafür, wie lange das Brot frisch bleibt.

Daneben ist Zeit der wichtigste Rohstoff, denn für Geschmack benötigt man Geduld. Beide legen großen Wert auf die Fermentation, also die Umwandlung organischer Stoffe und das Gehen des Teiges, das bis zu drei Tagen dauern kann. „Und wenn Weizen richtig verarbeitet wird ist er auch gut verdaulich“, sagt Jörg Schmid.