In eindrucksvoller Form ist in der Backnanger Stiftskirche dem 75. Jahrestag der Reichpogromnacht gedacht worden. Schüler hatten dazu Bilder gestaltet.

Backnang - „Wir bitten darum, das Konzert in aller Stille ausklingen zu lassen.“ Dem Hinweis auf dem Programmzettel der Gedenkstunde in der Backnanger Stiftskirche aus Anlass des 75. Jahrestages der Reichspogromnacht hätte es wohl nicht bedurft, denn das Publikum schwieg am Ende gerührt. In eindrucksvoller Emotionalität hatten Kantorei und Orchester das „Requiem für einen polnischen Jungen“ aufgeführt, eine vertonte Collage von Texten und Gedichten von Holocaust-Zeugen und Überlebenden. „Euch fehlt die Phantasie, dass man euch durch die Straßen jagen wird“, heißt es in der vielleicht zentralen Textpassage des Requiems. Sowohl die Sopranistin Carmen Mammoser, als auch Matthias Rempp interpretierten die Stücke eindrücklich. Sie enden mit Zeilen aus dem Gedicht „ein jüdisch’ Kind“ eines unbekannten Verfassers: „Für das, was wir ertragen, ist jede Sprache stumm.“

 

Der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper sprach in seinem Grußwort vom „dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte“. Die brennenden Synagogen seien „ein Zeichen des Nihilismus und des aggressiven Atheismus“ gewesen.

Die Gedenkstunde hatte die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) in Backnang organisiert. „Das öffentliche Erinnern ist nach wie vor sehr wichtig“, sagt der katholische Diözesanrat Klaus Herberts, der die Veranstaltung mit initiiert hatte. Es sei nicht schwer gewesen, Mitgestalter dieses Festakts zu finden. Der evangelische Kantor Hans-Joachim Renz habe bereits seit längerer Zeit ein Konzert aus diesem Anlass geplant. Zudem habe sich ein weiterer Mitstreiter für das Projekt begeistert: Tobias Dieterle von der Schickhardt-Realschule. Der Kunstlehrer organisierte eine Ausstellung mit Schülerbildern, die im Anschluss an das Konzert im Chorraum der Kirche zu sehen gewesen sind.

Bereits in seiner eigenen Schulzeit vor gut 40 Jahren habe er sich gefragt, wie er die Erinnerung an den Holocaust wachhalten könne, berichtet der Kunstpädagoge. Er bringe seither das Thema immer wieder aktiv in den Unterricht ein – etwa, indem er Klassenfahrten zu den KZ-Gedenkstätten oder nach Berlin begleite.

Was die Jugendlichen künstlerisch zu dem Thema geschaffen haben, beschreibt Dieterle als „sehr reif“. Die Schüler schöpften aus dem gewaltigen Fundus an Bildern, die sich über das Internet abrufen lassen. Einige malten brennende Synagogen, wieder andere stellten Häftlinge in ihrer KZ-Kleidung dar, bei denen auf den ersten Blick „einer wie der andere aussieht, doch jeder ein unterschiedliches Gesicht hat“, wie Dieterle schildert.

Wie lebendig das sein kann, zeigt die Arbeit eines Schülers, der sich mit dem Kernsymbol der Verfolgung, dem gelben Judenstern beschäftigt hat. Das Bild sei mehrfach überarbeitet worden, erzählt Dieterle. Am Ende habe sich der Schüler entschieden, die Leinwand aufzubrechen, und einen roten Farbfleck darin zu platzieren. Ein Herz inmitten der Verfolgung.