Viele Backnanger wundern sich über einen Flieger, der stundenlang über der Stadt kreist. Auf den ersten Blick sieht der Jet aus wie ein Passagierflugzeug – doch er ist eine der tödlichsten Waffen des Pentagons.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Backnang - Ein ungewöhnlicher weißer Flieger hat am Wochenende in Backnang für Verwirrung gesorgt. „Über Backnang kreist seit mindestens einer Stunde ein vierstrahliges Flugzeug. Hat jemand ne Ahnung, was der macht?“, fragte jemand am Sonntag in der Internetplattform Facebook – und trat damit ein Rätselraten los. „Die Russen kommen“, meinte einer, „Der beeinflusst die Wahl“ ein anderer. Wieder andere vermuteten ein „Wahllokal für Vögel“. Viele beobachteten den Jet dabei, wie er immer wieder die gleiche Flugroute nahm. „Scheint ihm hier zu gefallen“, mutmaßte ein Backnanger. Andere fragten sich, ob die Maschine technische Probleme gehabt haben könnte.

 

Bundeswehr verrät: Das Flugzeug gehört der US Navy

Luftfahrt-Enthusiasten schauen in solchen Fällen auf der Internetseite Flightradar24.com nach, auf der sich Flüge nachverfolgen lassen – selbst Kennung und Geschwindigkeit eines Flugzeugs werden dort angezeigt. Nur: Auf der Seite tauchte der rätselhafte große Jet offenbar nicht auf.

Unsere Anfrage bei der Luftraumüberwachung der Bundeswehr bringt Klarheit. Die Radardaten zeigten ein Flugzeug „vom Typ Boeing E-6 der amerikanischen Streitkräfte, welches am Flugplatz Stuttgart gestartet ist und in einer Höhe von 10 000 Fuß (circa 3050 Meter) mehrere Schleifen auch über Backnang geflogen ist. Die Landung erfolgte ebenfalls am Flughafen Stuttgart“, antwortet ein Hauptmann der deutschen Luftwaffe.

Das Flugzeug ist eine fliegende Kommandozentrale aus dem Kalten Krieg

Bei der E-6B Mercury handelt es sich um einen fliegenden Kommandoposten der US Navy, der auf der Boeing 707, einem Passagierflugzeug, basiert. Auf den ersten Blick ist sie für Laien kaum von einem Airliner zu unterscheiden. Doch die einschlägige Webseite nationalinterest.org bezeichnet das Flugzeug als das „womöglich tödlichste Flugzeug des Pentagon“. Denn der Zweck der Maschinen ist, den Kontakt zwischen der US-Regierung und ihren Atomstreitkräften wie U-Booten oder Langstreckenraketen selbst im Fall eines Atomkriegs aufrecht zu erhalten. Der Spitzname dieser (und ähnlich ausgelegter) Maschinen lautet daher „Doomsday Planes“ – Flugzeuge des Jüngsten Gerichts. In Zeiten des Kalten Krieges, in denen die E-6 gebaut wurden, war ständig mindestens eines dieser Flugzeuge in der Luft – heutzutage wird angeblich immer eine Maschine alarmbereit am Boden vorgehalten.

Auch bei den Planespottern – Fotografen, die am Flughafen auf möglichst ungewöhnliche Flugzeuge warten – ist die E-6 auf Interesse gestoßen. Einer hat den Jet genau beim Aufsetzen erwischt:

Für ihre Aufgabe sind die E-6 unter anderem mit zwei extrem langen sogenannten Schleppantennen ausgerüstet. Bei deren Benutzung fliegen Jets enge Kreise bei niedrigen Geschwindigkeiten – womöglich sind die Schleifen über Backnang darauf zurückzuführen. Wozu genau die Maschine über dem Rems-Murr-Kreis geflogen ist, kann der Luftwaffen-Sprecher nicht sagen. Den unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang kündigt der „Doomsday“-Jet jedenfalls nicht an. Ein Blick in einschlägige Internetforen zeigt: Solche Maschinen starten und landen seit Jahren immer wieder in Stuttgart. Auch die jüngst über Backnang beobachtete E-6 soll schon am Donnerstag dort gelandet sein.