Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Nach dem ersten Studium der Akten sei ihm der Fall relativ eindeutig erschienen, sagt der Richter. Drei Jahre hätte er den Angeklagten demnach wohl ins Gefängnis geschickt. Doch nach genauerem Hinsehen und nach den Aussagen in dem Prozess sei ihm klar geworden, dass die erste Straftat nicht von dem jetzt Angeklagten, sondern von seinem mutmaßlichen zweifachen Opfer begangen wurde.

 

Der heute 67-Jährige nämlich hatte den 36 Jahre jüngeren offenbar bereits als Kind missbraucht. Wie genau, das blieb in der Verhandlung offen. Der Angeklagte räumte – vielleicht aus Scham und teilweise unter Tränen – lediglich ein, dass der Mann, den er irgendwie über seinen Bruder kennengelernt hatte, regelmäßig Nacktfotos von ihm gemacht und ihn habe anfassen dürfen. Dafür habe er Geld erhalten, womit er seine Drogensucht finanzierte.

Die Übergriffe haben sich Mitte der 90er-Jahre ereignet und sind nicht mehr justiziabel. Die Hintergründe freilich sind ein weiterer dunkler Mosaikstein in dem bisher desaströsen Leben des Angeklagten.

Wohl nicht nur wegen dieser Erkenntnis will das Gericht dem Angeklagten, der alle Vorwürfe unumwunden einräumt, noch eine Chance geben. Der junge Mann hat im Sommer aus eigenem Antrieb eine Langzeitdrogentherapie begonnen. Die Fachklinik bescheinigt dem Patienten gute Fortschritte und Kooperationsbereitschaft. „Er hat sich geändert und arbeitet an sich“, sagt auch der Staatsanwalt. Das Gericht setzt die zweijährige Gefängnisstrafe deshalb zur Bewährung aus und fällt, wie der Richter selbst sagt, ein „ungewöhnlich mildes Urteil.“ Der Angeklagte versichert, dass er die Therapie „komme, was wolle, durchziehen“ und ein neues Leben beginnen werde. Nach Backnang will er nie mehr zurückkehren.