Der Name von Adolf Hitlers Stellvertreter ist zwar falsch geschrieben – doch die Botschaft ist klar. Ob die Rechtsradikalen eine Strafe fürchten müssen, ist allerdings fraglich.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Backnang - Unbekannte haben mitten in Backnang (Rems-Murr-Kreis) ein Kreuz zum Gedenken an Rudolf Heß, den Stellvertreter Adolf Hitlers, aufgestellt. Vor dem Kriegerdenkmal in der Marktstraße, direkt gegenüber des Rathauses, wurde am Donnerstagmorgen ein Holzkreuz mit dem – falsch geschriebenen – Namen und dem Todesdatum Heß’ entdeckt. Auf den Figuren des Kriegerdenkmals, das seit 1924 dort steht, waren zudem rote Kerzen drapiert worden.

 

Als „unfassbar“ bezeichnet der Justizstaatssekretär und Backnanger SPD-Bundestagsabgeordnete Christian Lange die Aktion. „Es ist eine Schande, dass diesem Schwerverbrecher in unserer Stadt an dessen Todestag gedacht wird, und ein Schlag ins Gesicht der Opfer der NS-Diktatur. Ich werde Anzeige erstatten“, sagt Lange. Seine Mitarbeiter hatten das Kreuz nach seinen Angaben auf dem Weg zur Arbeit bemerkt. Ein Sprecher der Stadt sagte, in den vergangenen sieben Jahren, in denen er bei der Stadt arbeite, habe es „noch nie einen vergleichbaren Vorfall“ gegeben.

Bei einem Holzkreuz blieb es indes nicht: Am Abend meldete die Polizei, ein weiteres Kreuz für Rudolf Heß sei auf einer Grünfläche im Dresdner Ring gefunden worden. Außerdem hängten Unbekannte in der Nacht an einer Brücke über die B 14, bei der Erbstettener Straße, zwei laut Polizei „unschöne“ Transparente auf. Den genauen Wortlaut will ein Polizeisprecher nicht wiedergeben, weil man den Nationalisten „keine Plattform bieten“ wolle.

Das Kreuz bleibt womöglich ungeahndet

Ob das Aufstellen des Rudolf-Heß-Kreuzes für die – freilich noch unbekannten – Täter juristische Konsequenzen haben wird, ist allerdings fraglich. „Der bloße Name und das Datum sind strafrechtlich wohl nicht relevant“, sagt ein Polizeisprecher. Der Staatsschutz sei aber informiert worden, die Polizei habe die Sache „zur Prüfung“ auch an die Staatsanwaltschaft gegeben. Diese müsse nun entscheiden, ob sie Anklage erhebe oder nicht.

Für den SPD-Mann Christian Lange steht fest: „Dieser Vorfall zeigt, wie wichtig der Kampf gegen Nazis und für eine offene, freie Gesellschaft ist“ – als Beispiel nennt er die Demonstration „Pulse of Europe“, die auch im September wieder in Backnang stattfinden soll – ganz in der Nähe des Orts, an dem am Donnerstag das Neonazi-Kreuz aufgestellt worden war.

Rudolf Heß war 1933 zum Stellverteter Adolf Hitlers ernannt worden. Er geriet in britische Kriegsgefangenschaft und wurde 1946 in den Nürnberger Prozessen als einer der Hauptkriegsverbrecher zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 17. August 1987 starb Heß im Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau im Alter von 93 Jahren durch Suizid – um seinen Tod ranken sich bis heute Verschwörungstheorien, Heß gilt Neonazis als Vorbild und Symbolfigur.

Anstieg rechtsmotivierter Straftaten im Landkreis

Im Rems-Murr-Kreis tauchen seit Monaten vermehrt Nazi-Graffiti auf. Das Polizeipräsidium Aalen, das auch für den Ostalbkreis und den Landkreis Schwäbisch Hall zuständig ist, bezeichnet den Rems-Murr-Kreis in seinem Jahresbericht als „Schwerpunkt von rechten Straftaten“. Im Jahr 2016 hatte es einen leichten Anstieg solcher Delikte auf 74 (Vorjahr: 69) gegeben. Von diesen Taten fielen 50 in den Bereich Propaganda und Sachbeschädigung, 23 werden als fremdenfeindlich, drei als antisemitisch eingestuft. Im Rems-Murr-Kreis gab es in Backnang (zwölf) und Waiblingen (zehn) die meisten rechten Straftaten.