Die 16. Backnanger Wirtschaftsgespräche locken fast 1000 Gäste ans Murrufer. Der Hauptredner Ulrich Grillo, bis 2016 BDI-Präsident, mahnt die Wirtschaftsbosse. OB Frank Nopper verkündet Erfolgsmeldungen.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Veranstaltungen wie diese schmecken dem Backnang OB besonders gut. Frank Nopper strahlt, er schüttelt Hände, übt sich im Smalltalk. Und mit dem Schultes strahlt die untergehende Sonne über den 16. Wirtschaftsgesprächen auf dem Spinnerei-Areal am Murrufer. Wenig später, im übergroßen Festzelt, erklärt Nopper vor fast 1000 Besuchern, die Backnanger Wirtschaft sei „seit Jahren in Hoch- und Beststimmung.“ Überall in Backnang „stehen die Zeichen auf Wachstum und Prosperität“.

 

Die Arbeitslosigkeit: gehe mit 3,2 Prozent in Richtung Vollbeschäftigung. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Stadt: nähere sich der magischen 15 000er-Grenze. Die Zahl der Einwohner – „für die Wirtschaft ein wichtiger Entwicklungsindikator“: bewege sich langsam, aber stetig in Richtung 40 000, zurzeit gebe es 37 657 Backnangerinnen und Backnanger. Und auch in puncto „schönste Nebensache der Welt“ eine Erfolgsmeldung: es gebe schon 30 000 zugelassene oder reservierte BK-Kennzeichen.

Ein neuer Biergarten unter Kastanien

Mitunter hat der OB bei den Wirtschaftsgesprächen ganz große Neuigkeiten in Sachen Ansiedlung weiterer Firmen in Backnang verkünden können. Diesmal nicht. Nopper stellt aber die Eröffnung von zwei Wirtschaften in Aussicht, immerhin. Die Backnanger und alle Besucher der Stadt könnten sich auf ein Brauhaus beim Rathaus freuen – diese Nachricht indes ist nicht wirklich neu – und über „einen Biergarten unter Kastanien“ in der Nähe der Aspacher Brücke.

Die Wirtschaftsgespräche seien beliebt wie nie, die Veranstalter Stadt, Industrieverein und Gewerbeverein, könnten sich vor Sponsoren kaum retten. Es gebe Unternehmer, die für den Besuch dieser Veranstaltung ihren Urlaub oder sogar die eigenen Flitterwochen verschöben. Es gibt indes auch ein paar Spötter, die behaupten, viele Gäste kämen in erster Linie wegen des üppigen Buffets. Dann kündigt Nopper den Hautredner des Abend an: „the good Grillo from Germany“. Mit diesem Worten habe der einstige italienische Ministerpräsident Matteo Renzi Ulrich Grillo geadelt. Dieser Ulrich Grillo, Vorstand der Grillo-Werke AG, war bis 2016 Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Der Deutsche Grillo, so Nopper, habe zwar Vorfahren, die aus Italien stammen, er sei aber nicht verwandt mit Beppe Grillo, dem Gründer der nunmehr in Italien mitregierenden Fünf-Sterne-Bewegung.

Ulrich Grillo spricht zum Thema „Wirtschaft mit Haltung.“ Zunächst indes beglückwünscht er die Stadt – zu ihrem OB. Er habe im Vorfeld der Veranstaltung mehrmals mit Nopper telefoniert und schnell herausgefunden, dass kaum eine andere Kommune einen Verwaltungschef habe, der derart begeistert sei und begeistern könne. Deshalb, so Grillo augenzwinkernd, „muss man sich um Backnang keine Sorgen machen“.

Vertrauen sei weit wichtiger als „der Sog des Geldes“

Sorgen machen sich allerdings nicht wenige Menschen um die deutsche Wirtschaft, wegen des Abgasskandals zum Beispiel, wegen der Tricksereien von Ingenieuren etwa bei VW. Grillo sagt, Vertrauen sei – langfristig betrachtet – weit wichtiger als „der Sog des Geldes“. Vertrauen sei das „wichtigste Gut“ überhaupt. In der Wirtschaft gelte es, die durch Recht und Gesetze garantierten Freiheiten verantwortlich wahrzunehmen. Erfolg um jeden Preis könne nicht das Ziel sein. Wirtschaft mit Haltung heiße auch: Gewinne anständig zu erzielen. Grillo sagt, es sei ein Missverständnis anzunehmen, es gebe zwei Welten: eine Welt „der menschlichen Angelegenheiten“ und eine Welt des Geldes. Es sei nicht zulässig, die eigenen Kinder zu rechtschaffenen Menschen erzielen zu wollen und zugleich im Wirtschaftsleben Regeln ideenreich zu umgehen.

Mehrere Besucher fragen Grillo nach dessen Vortrag, wie er diesen Anspruch und das Handeln einiger Firmen – speziell der Autoindustrie, Stichwort Dieselskandal – zusammenbringe. Der studierte Betriebswirt antwortet, er sei überzeugt: die meisten Ingenieure und Wirtschaftsbosse „machen eine guten Job.“ Es sei wichtig mit den Übeltätern zu reden und diese zu überzeugen. „Vielleicht ist das ein bisschen naiv, aber ich stehe dazu.“ Ende eines kurzen, knackigen Referats inklusive Nachfragen, viel Applaus – und große Vorfreude auf das Buffet inklusive Smalltalks bis weit in die laue Backnanger Nacht hinein.