Backstage bei „Schwanensee“ Hier lässt sich der Tanz unter die Federn schauen

  Foto: Andrea d'Aquino

Seit zehn Jahren ist Guido Markowitz Ballettchef in Pforzheim. Berührungsängste kennt er keine. Sein kleines Ensemble wagt sich an große Klassiker – und sehr nah ran ans Publikum.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Wer den weißen Federn der „Schwanensee“-Ballerinen mal so richtig nah kommen will, hat derzeit am Theater in Pforzheim Gelegenheit dazu. Wie bei allen anderen seiner Produktionen bietet Guido Markowitz, der Leiter der Tanzsparte, eine Stunde vor jeder Aufführung kostenlose Backstage-Führungen an. Das Interesse ist groß.

 

Am Abend, als die auch choreografisch junge Klassiker-Bearbeitung das zweite Mal auf dem Spielplan steht, wollen mehr als 20 Gäste zu dieser „magischen Stunde“, wie sie Guido Markowitz nennt, beim Blick hinter die Kulissen dabeisein. Mehr geht nicht, denn hinter der Bühne wird es richtig eng. Links vorbei am schmalen Steg über dem Orchestergraben, wo schon die Klarinetten eingespielt werden, gehen die neugierigen Gäste zur ersten Station der Führung und hinein ins Innenleben eines Theaters.

Eine Backstage-Führung mit Triggerwarnung

Der Inspizient Johannes Kriener ist, wie noch andere hinter den Kulissen, ein ehemaliger Tänzer. Er gibt bereitwillig Auskunft darüber, wie er im Dialog mit seinen Kollegen von der Beleuchtung für die richtige Stimmung auf der Bühne sorgt. Die ist gerade noch in nüchternes Licht getaucht. Die Warnung, die Guido Markowitz allen beim Start seiner Führung mit auf den Weg gibt, ist nicht ohne: Der Blick in den Umkleide-Bereich, wo die Federnhäubchen für die Schwäne bereitliegen, oder in die Maske, wo eine Tänzerin in einen Hund verwandelt wird, kann durchaus zur Entzauberung der Theater-Illusionen beitragen.

Blick hinter die Kulissen von „Schwanensee“ Foto: stzn/ak

Ein bisschen fühlt man sich also bei diesem Backstage-Besuch wie Alice in einem verkehrten Wunderland, ausgespuckt aus dem Kaninchenbau, der in diesem Fall für die Fantasiewelt der Bühne steht. Noch bevor der erste Schritt getanzt ist, weiß man schon, dass sich Siegfried und Odette in Pforzheim kriegen. Selbstgeknüpfte Perücken, die das Liebespaar in Greise verwandeln, sind in der Maske zu bewundern. Sie deuten das Happy End schon an und fügen ihm noch eine Art Märchenformel an: Wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie sich noch heute.

Zehn Schwäne, auch das kann man hinter der Bühne schon zählen, hat das 15-köpfige Ensemble im Angebot. Überraschen kann diese moderne „Schwanensee“-Version dann doch, als sich der Vorhang hebt. Das hat viel mit der Badischen Philharmonie Pforzheim zu tun, die sich unter der Leitung von Michael Pichler mit großer Lust in den dramatischen und emotionalen Reichtum von Tschaikowskys Musik stürzt.

Der böse Zauberer hat’s schwer

Dass Liebe die Lösung ist, dass alle an diesem „Schwanensee“ lieber nett sind, als sich vom bösen Zauberer Rotbart schalou machen zu lassen: das Drama steckt in der Inszenierung aus der choreografischen Feder von Guido Markowitz und Mar Rodríguez Valverde tatsächlich eher in der Musik. Und doch ist spannend zu sehen, wie sich Männer in der Mutter- und Schwanenrolle sehr genderfluid behaupten, wie die Vogelwesen mit bebenden Körpern und ruckartigen Kopfbewegungen auch im modernen Tanz an Ausdruck gewinnen, wie Voguing-Elemente für Witz sorgen.

Im letzten Akt tragen die Schwäne ihre menschliche Botschaft mitten ins Publikum und geben sich auch nach dem Schlussapplaus im Theaterfoyer nahbar. Wie gesagt: Näher kann man dem Klassiker nicht kommen.

Termine
Die nächsten „Schwanensee“-Aufführungen gibt es in Pforzheim am 20., 23., 27. und 30. November, am 20. und 27. Dezember sowie am 21. Februar und am 1. April. Die Produktion ist auch auf Gastpielstationen in Baden-Württemberg und in Österreich zu sehen.

Backstage
Eine Stunde vor jeder Aufführung bietet das Ballett Pforzheim Backstage-Führungen an. Spartenchef Guido Markowitz gibt Einblicke in den Theateralltag und blickt hinter die Kulissen seiner Produktion. Für die kostenlose Führung ist eine Anmeldung erforderlich.

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