„Vorwärts, vorwärts, vorwärts – dem Reich Gottes entgegen“ lautet der Titel einer szenischen Lesung über Christoph Friedrich Blumhardt, die an diesem Freitag an seiner einstigen Wirkungsstätte im Kurhaus Premiere feiert.

Bad Boll - Vor 100 Jahren ist Christoph Friedrich Blumhardt gestorben. Jetzt hauchen Klaus Hudik und sein Ensemble aus Amateurschauspielern dem umstrittenen Prediger, Politiker und Visionär wieder Leben ein. In zahlreichen Szenen und mit aufwendigen Bildprojektionen wollen sie ihren Zuschauern diesen Mann, der das Reich Gottes auf Erden propagierte, und seine Zeit nahebringen. „Vorwärts, vorwärts, vorwärts - dem Reich Gottes entgegen“, lautet der Titel des Stücks, das aus der Feder des Stuttgarter Autors und Regisseurs Johannes Soppa stammt. An diesem Freitag ist Premiere.

 

Der Aufwand ist groß. „Das ist ein Stück mit langem Anlauf“, sagt Klaus Hudik und zupft sich die Fliege zurecht. Er hat sich für die Probe im Festsaal des Kurhauses in Bad Boll bereits in Schale geworfen. Er spielt – sehr würdig und mit großem Sendungsbewusstsein – den Vater Johann Christoph Blumhardt. Und nicht nur das. Er führt auch Regie und hat in monatelanger Fleißarbeit die Bildprojektionen nebst Musik und Geräuschkulisse zusammengestellt. Dass er sich das alles zutraut, ist nicht weiter verwunderlich. Der ehemalige Polizeibeamte aus Dürnau, dessen zweite Existenz schon immer das Theater war, hat oft mit Johannes Soppa zusammengearbeitet. So gab er bereits in dessen Luther-Stück, das zum Reformationsjubiläum 2017 in Bad Boll aufgeführt wurde, den Reformator. Damals führte Soppa selbst Regie.

Stück mit Tempo und Atmosphäre

Jetzt fiebern Klaus Hudik und sein Ensemble gleich in zweifacher Hinsicht der Premiere entgegen: Wie wird Johannes Soppa die Inszenierung finden, wie kommt das Stück beim Publikum an? Klaus Klaus Hudik hofft, dass die Leute noch nicht übersättigt sind von Christoph Blumhardt. Denn zu dessen 100. Todestag gab es bereits eine Fülle von Veranstaltungen.

Die Bezeichnung szenische Lesung führe womöglich in die Irre, befürchtet Klaus Hudik. Es werde weitaus mehr geboten. Deshalb spricht er lieber von einer Lesung mit Theatereinlagen. Womöglich ist auch dieses Etikett zu klein. Denn das Stück hat Tempo und Atmosphäre. Es nimmt die Zuschauer mit auf einen Reise durch das Leben Christoph Blumhardts, der groß wird im Schatten seines charismatischen Vaters. Dieser löste mit der Heilung der dem Wahn verfallenen Gottliebin Dittus (brillant verkörpert von Sandra Schwab) die sogenannte Buß- und Erweckungsbewegung in Württemberg aus und machte den kleinen Ort Möttlingen, in dem er als Pfarrer wirkt, weltweit bekannt. Der Zustrom zu den Sonntagsgottesdiensten machte es schließlich erforderlich, dass die Familie 1851 von den beengten Möttlinger Verhältnissen in das Kurhaus nach Bad Boll übersiedelte.

„Jesus war auch ein Sozialist“

In diesem Mikrokosmos kam Christoph Blumhardt in Kontakt mit Menschen aus aller Welt, darunter die Politiker Clara Zetkin und August Bebel, die Schriftsteller Eduard Mörike, Gottfried Benn und Hermann Hesse. Bei so viel Erfolg blieben Anfeindungen nicht aus. Johann Blumhardt eckte nicht nur bei den Kirchenoberen an, auch vielen Bollern war er suspekt.

Das Stück stellt Christoph Blumhardt (gespielt von Ronald Bühler) als einen Menschen vor, den die übergroße Vaterfigur nicht erdrückt. Ganz im Gegenteil scheint er dessen Selbst- und Sendungsbewusstsein geerbt zu haben. Von Gegenwind – und der wird gewaltig, als er sich der Sozialdemokratie zuwendet, für die er von 1900 an sechs Jahre lang als Abgeordneter im Stuttgarter Landtag sitzt – lässt er sich genauso wenig beirren wie sein Vater. Wie dieser begegnet er solchen Anfechtungen, indem er leidenschaftlich auf Gott rekurriert. „Gott warf mich an die Tür der Sozialdemokratie“, heißt es in dem Stück, oder: „Jesus, so betrachtet, war auch ein Sozialist“. Und er ist ein Mensch mit Schwächen. Seine letzten Lebensjahre verbringt er nicht an der Seite seiner Frau Emilie (gespielt von Annette Hudik), sondern in wilder Ehe mit der Adeligen und Diakonisse Anna von Sprewitz (gespielt von Gerda Kicherer) in Jebenhausen, wo er 1919 im Alter von 67 Jahren nach zwei Schlaganfällen stirbt.

Auch ein Projektchor tritt auf

Bevor das Werk am Freitag Premiere feiert, ist noch viel zu tun. Klaus Hudik ist gespannt, wie sich alles zusammenfügt, wenn alle Akteure es an einem Stück proben. Denn zwischen einzelnen Szenen tritt noch ein eigens gegründeter Projektchor auf, der Lieder Christoph Blumhardts singt. Veranstaltet wird die szenische Lesung von der Berta-Stiftung Bad Boll, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die evangelische Stiftskirche zu erhalten. Man wolle Blumhardt und seine Zeit mit dieser Veranstaltung erlebbar machen, sagt der Pfarrer Tobias Schart.