Die Stadt hat den Antrag eines Cannstatters auf Förderung eines Elektrolastenrades abgelehnt, weil das ausgesuchte Rad nicht den Vorgaben entspricht. Klar definiert sind die Kriterien aber nicht, beklagt er.

Bad Cannstatt - Insgesamt 434 000 Euro hatte die Stadt bereitgestellt, um Familien und Alleinerziehenden den Umstieg vom Auto auf ein E-Lastenrad schmackhaft zu machen. Ein Zuschuss von bis zu 2000 Euro waren bei Kauf oder Leasing drin – ein Angebot, das auch Steffen und Anja Waldeck wahrnehmen wollten.

 

Die Cannstatter suchten sich im Internet ein E-Lastenrad aus, meldeten sich rechtzeitig vor dem Stichtag, dem 31. Oktober 2018, an – und erhielten wenig später vom Förderteam der Stadt dennoch eine Absage. Das „Yuba Electric Boda Boda“, ein rund 3000 Euro teures E-Lastenrad, sei gleich aus zwei Gründen nicht förderfähig. Zum einen habe es keinen verlängerten Radstand. Hierbei gehe es der Landeshauptstadt nicht um wenige Zentimeter, sondern um eine auch optisch klar und unmissverständlich wahrnehmbare Verlängerung des Rades, wie „dies bei allen von der Gesellschaft als Lastenrad wahrgenommenen Rädern der Fall ist“. Zum anderen würde dem E-Lastenrad eine feste Transportkiste oder eine Ladefläche fehlen, die unlösbar mit dem E-Lastenrad verbunden sei.

Die Antwort aus dem Referat für Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität sorgte am Küchentisch der dreiköpfigen Familie für Verwunderung. Das „Yuba Electric Boda Boda“ erfülle die Bedingungen der Förderrichtlinie „E-Lastenräder für Stuttgarter Familien“ sehr wohl, so Steffen Waldeck. „Es hat mit 1240 Millimeter einen erkennbar verlängerten Radstand und auch eine Transportmöglichkeit, die unlösbar mit dem E-Lastenrad verbunden ist.“ Er verweist auf die Herstellerangaben und damit auf einen extra langen Gepäckträger, der bis zu 110 Kilogramm tragen kann und auf dem beispielsweise zwei Kindersitze montiert werden können.

Definition unpräzise

Steffen Waldeck versteht die Argumentation der Stadt nicht. „Wenn die handelnden Personen ausschließlich Dreiräder oder extrem lange Gefährte mit Transportwanne im Sinn hatten, dann hätten sie das auch so formulieren können.“ Die deutsche Sprache biete hier einige Möglichkeiten zu einer genauen Spezifikation. Die Beschreibung sei so allgemein gehalten, dass der Bürger selbstverständlich davon ausgehen müsse, dass auch ein extra langer und stabiler Gepäckträger als „Transportmöglichkeit“ gelte.

Weiter kritisiert Waldeck, dass man beim „verlängerten Radstand“ ebenfalls einen Mindestabstand zwischen Vorder-und Hinterrad definieren hätte können. „Hat man aber nicht.“ Stattdessen verweise man in der Ablehnung auf die Gesellschaft und deren subjektive Wahrnehmung. „Und somit auf einen unbekannten Personenkreis. Die Definition ist also maximal unpräzise und nicht überprüfbar. Außerdem wird sie nicht in den Richtlinien zur Förderung erwähnt.“

Die Stadt hat den Waldecks angeboten, sich ein anderes E-Lastenrad auszusuchen, das entweder einen verlängerten Radstand oder eine feste Transportablage hat, auf der Kinder sitzen oder Getränkekisten transportiert werden können. Gefördert würden gerade keine kompakten Räder, sondern lediglich solche mit erheblicher „Ausladung“, so die Argumentation des Förderteams. „Dies hat einerseits etwas mit dem Selbstverständnis dieser Fahrzeuggattung zu tun und andererseits durchaus auch etwas mit der von der Landeshauptstadt angestrebten optischen Wahrnehmung der Veränderung des Mobilitätsverhaltens und Angebotes ihrer Bevölkerung.“ Hinzu komme der Förderwille, gerade die Vielseitigkeit dieser „Lastenesel“ herauszustellen und zu fördern.

Keine Abstellmäglichkeit

Das Problem der Cannstatter Familie: „Wie schon in unserem Antrag aufgeführt, haben wir schlicht keine Abstellmöglichkeit für ein großes, ausladendes Dreirad mit Transportwanne. Wie die meisten Stuttgarter Familien wohnen wir in einer Etagenwohnung und teilen uns einen sehr kleinen Abstellraum für Fahrräder mit der Hausgemeinschaft. Wir können ein solches Rad dort nicht unterbringen.“ Das von der Stadt angedachte, aber nicht offiziell definierte E-Lastenrad wiederum lasse sich weder in den Keller noch in eine Wohnung tragen, weil es mindestens 50 Kilogramm wiegt. „Ergo kommt die Anschaffung nur für Familien mit eigener Garage oder sehr großem Gemeinschafts-Fahrradraum infrage“, sagt Waldeck. Letzteres gebe es aber nur in Neubauten der letzten 10 bis 15 Jahre.

Der Familienvater versteht nicht, dass die Stadt mit Blick auf das übergeordnete Ziel, nämlich der Vermeidung von Autoverkehr, einen Großteil der Stuttgarter Bevölkerung, eben die Bewohner von Altbauwohnungen, von der Förderung ausschließt, „weil sie nicht über eine eigene Garage verfügt. Das ist nicht akzeptabel“, so Steffen Waldeck. „Auf die weiteren Produktvorteile eines kompakten Rades wie höhere Sicherheit beim Kindertransport, bessere Fahreigenschaften in engen Straßen und am Berg sowie ein niedrigerer Anschaffungspreis will ich nicht auch noch im Detail eingehen, obwohl ich sie ebenfalls für sehr relevant halte“, betont er.

Auch in der Europa-Vertriebszentrale des amerikanischen Herstellers Yuba in Heidelberg versteht man die Vorgehensweise der Stadt nicht. „Ich habe exakt diese Umstände bereits selbst mit Händlern aus Stuttgart diskutiert und konnte letzten Endes eigentlich nur den Kopf schütteln“, sagt Verkaufsleiter Kai Dreher. „Ein per Definition klar ausgewiesenes Lastenrad unter dem Argument auszuschließen, es sähe einem normalen E-Bike zu ähnlich, erschließt sich uns nicht ganz.“ Das kompakte E-Lastenrad sei für kleinere, respektive weibliche Fahrer konzipiert.