Auf dem Dachboden eines Cannstatter Altbaus hat Johanna Trommer eine geheimnisvolle Kiste gefunden – und schon war die Idee für den dritten Fall ihrer Karl-Kessel-Krimi-Reihe geboren.

Bad Cannstatt - Johanna Trommer öffnet eine unscheinbare Tür. Was sich dahinter verbirgt, fasziniert sie noch immer, obwohl sie mittlerweile seit einem Jahr in diesem Cannstatter Altbau wohnt: ein riesiger Dachboden mit imposanten Holzgebälk, dunkel und geheimnisvoll. „Hier war alles vollgestellt.“ Sie deutet auf eine Stelle unter der Dachschräge, an der alte Türen, Farbeimer, kaputte Möbelstücke, Dachlatten und andere Gegenstände aus vergangenen Jahrzehnten standen. Beim Aufräumen seien sie auf die abenteuerlichsten Sachen gestoßen. Zum Beispiel auf eine große Holzkiste. „Die hat gleich meine Fantasie angeregt. Ich habe mir vorgestellt, da liegt eine Mumie drin.“ Natürlich fand sie in der Kiste keine Tote vor – aber die Idee für den dritten Fall von Karl Kessel war geboren.

 

Wie Schneewittchen im Sarg

Vor drei Jahren erschien Johanna Trommers erster Stuttgart-Krimi für Jugendliche mit dem ausgemachten Computer-Nerd und leidenschaftlichen Hobbydetektiv Karl Kessel. Nach „Mord im Opernhaus“ folgte im Frühjahr 2017 „Eine Leiche für die Katz“. Jetzt ist „Der Schneewittchen-Fall“ herausgekommen. Bad Cannstatt ist zentraler Schauplatz der Handlung. Denn Karls Freundin Marlene ist mit ihrer Familie in den Stadtbezirk gezogen – in ein Haus neben dem Cannstatter Kurpark. In dem über der Altbauwohnung liegenden Dachboden wollen die beiden Jugendlichen, beflügelt durch ihre bisherige erfolgreiche Mörderjagd, ein Detektivbüro einrichten. Dabei entdecken sie in einer staubigen Holzkiste die Leiche einer jungen, auffällig schönen Frau mit wallendem roten Haar, makellosem Gesicht, vollen Lippen und Sommersprossen. Ihr zarter Körper ist eingehüllt in ein blütenweißes, langes Kleid – und Karl fühlt sich an das schöne Schneewittchen in seinem Sarg erinnert. Sofort machen sich die beiden Spürnasen an die Arbeit und kommen dabei einem potenziellen Serienmörder auf die Spur. Schon bald müssen sie erkennen, dass in diesem Fall kaum etwas so ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Homage an Stuttgart

Nein, eine reale Vorlage für ihren Protagonisten gebe es nicht, räumt Johanna Trommer ein. „Ich kenne niemanden, der so ist.“ Karl sei „ein komischer Kauz, ein Außenseiter, der von seinen Mitschülern gemobbt wird“, beschreibt sie ihn schmunzelnd. Außer zu Marlene und den Kumpels vom Chaos Computer Club habe er keine sozialen Kontakte. Dennoch ist er einer, der beim jugendlichen Publikum offenbar gut ankommt. „Die Reaktionen auf die Bücher sind bislang durchweg positiv“, erzählt die 37-Jährige, die mit ihren Karl-Kessel-Lesungen regelmäßig deutschlandweit auf Tour geht. Nein, stimmt nicht ganz, beeilt sie sich hinzuzufügen. Eine Kritik habe es doch gegeben: „Ich soll mehr von Bharat Bakshi schreiben.“ Auch die beliebte Figur des schrägen indischen Taxifahrers ist rein fiktiv. „Die Idee dazu hatte mein Freund.“

Während die Personen frei erfunden sind, sind die Schauplätze in ihren Büchern authentisch. In der Nähe des Waldhauses an der Hasenbergsteige ist die Stuttgarterin aufgewachsen – die Ruine des einstigen Ausflugslokals war ebenso Inspiration wie der heimische Dachboden in Bad Cannstatt. Festgelegt sei sie beim Schreiben nicht, sagt Johanna Trommer. „Natürlich hat die Geschichte ein Grundgerüst. Aber vieles ergibt sich erst beim Schreiben.“ So sei ihr am Anfang nicht immer klar, wer letztendlich der Mörder sein wird. Und so manche Beobachtung, mancher spontane Einfall werde kurzerhand noch eingearbeitet.

Vierter Teil folgt

Etwa ein Jahr arbeitet Johanna Trommer an einem Buch – nebenher zu ihrer freiberuflichen journalistischen Arbeit und der bald vierköpfigen Familie. „Leider habe ich nicht so viel Zeit dafür. Mein größer Wunsch wäre es, vom Bücherschreiben leben zu können.“ Ideen hat die Autorin zuhauf. Nicht nur für Krimis, obwohl sie die selbst gern lese: „Ich kann mir eigentlich jedes Genre vorstellen.“ Bereits während ihres Design-Studiums vor zehn Jahren hatte sie ihr erstes Buch für Jugendliche veröffentlicht: „Letterland – Die Diamantenquelle“.

Karl-Kessel-Fans dürfen sich freuen: „Es wird einen vierten Fall geben“, kündigt Johanna Trommer an. Das Wichtigste habe sie schon: die Idee für den Buchanfang. Natürlich werden Karl und Marlene durch Zufall wieder auf eine Leiche stoßen.