Bad Cannstatter Merdijan Neziri Kickbox-Karriere für den verstorbenen Opa
Der Bad Cannstatter Merdijan Neziri erleidet am Tag seines ersten Kampfes einen Schicksalsschlag. Seitdem ist er mit spezieller sportlicher Motivation unterwegs.
Der Bad Cannstatter Merdijan Neziri erleidet am Tag seines ersten Kampfes einen Schicksalsschlag. Seitdem ist er mit spezieller sportlicher Motivation unterwegs.
Merdijan Neziri sitzt am Vorabend seines ersten wettbewerbsmäßigen Kickbox-Kampfes vor Publikum mit seinem Opa in dessen Wohnung zusammen. Es ist der 3. Oktober dieses Jahres, der Tag der Deutschen Einheit. Sie trinken einen Kaffee und essen etwas. Zum Abschied sagt der 77-Jährige zu seinem Enkel: „Du wirst gewinnen.“ Die beiden Albaner, die in Bad Cannstatt im selben Haus leben, geben sich die Hand. Merdijan Neziri gibt sein Versprechen – nichts ahnend, dass es das letzte zwischen ihnen beiden sein sollte. Die Anekdote wird zum Teil einer berührenden familiären Geschichte mit tragischem Ende.
Als Neziri am nächsten Tag zum Wiegen fährt, sehen sie sich noch einmal kurz; als er wenige Stunden später zurückkommt, stehen Rettungswagen vor der Tür. Alle Reanimationsmaßnahmen kommen zu spät – Neziris Opa ist bereits verstorben. Ein Schock für den jungen Stuttgarter. Zwar war sein Opa nach seinem dritten Schlaganfall vor acht Jahren erblindet, hatte sich ansonsten aber gut erholt. „Der Tod kam für uns aus dem Nichts“, sagt Neziri.
Der 19-Jährige isst den ganzen Tag nichts, vergießt viele Tränen – erinnert sich aber zugleich an sein Versprechen. Acht Wochen lang hat er sich intensiv auf seinen Auftritt im Ring vorbereitet. Zweimal am Tag trainierte der gelernte Hochbaufacharbeiter, der sich aktuell nur auf den Sport konzentrieren möchte, in einem Trainingscenter in Waiblingen und im Fitnessstudio. Schnell wird ihm klar: Er will den Kampf, der am selben Abend stattfinden soll, trotzdem machen – nicht für sich, sondern für seinen verstorbenen Opa.
Mit dem Kampfsport hat Neziri vor eineinhalb Jahren angefangen. Zwar sei sein Opa ein großer Liebhaber des Metiers gewesen; dass sein geliebter Enkel selbst in den Ring steigt, wollte er jedoch nie. „Ich habe ihm aber gesagt, dass ich boxen will, ganz egal, was andere sagen. Seitdem hat er mich immer unterstützt“, berichtet Neziri. Zu seinen Freunden habe er noch gesagt: „Wir machen nach dem Kampf zusammen mit meinem Opa ein Gruppenbild.“
Nun bleibt statt dieses Gruppenbilds nur ein mitgebrachtes Bild. Zum Duell mit Jurica Markovic läuft Neziri mit einem großen Plakat ein. Darauf zu sehen: sein Opa. Vor dem Kampf in der Gewichtsklasse bis 80 Kilogramm gibt es zudem eine Schweigeminute. „Bis zu dem Punkt war ich gar nicht aufgeregt, aber als die ganze Halle still und leise wurde, hat mein Herz angefangen, heftig zu schlagen“, erzählt der Kampfsportler. Nach drei harten Runden steht er als Punktsieger fest. Dann sei er erst einmal aus dem „Cage“ geeilt und habe angefangen zu weinen. Die Gefühle übermannten ihn. Den Triumph widmete er seinem Opa, der wenige Tage später in seinem Heimatort in Nordmazedonien beerdigt wird.
Nun arbeitet Merdijan Neziri unerschütterlich an einer Profikarriere. Den ersten Sponsor hat er bereits an Land gezogen. „Ich weiß, wenn ich was erreichen will, muss ich jeden Tag 200 Prozent geben“, sagt er. Beim nächsten Event seines Trainingscenters Ende Januar wird er vermutlich erneut antreten – und erneut für seinen Opa kämpfen.