Der Mann soll rund 100 000 Euro veruntreut haben. Außerdem wird ihm Urkundenfälschung vorgeworfen.

Baden-Baden - Bereits 2012 waren Vorwürfe gegen den Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Baden-Baden wegen Untreue und Zweckentfremdung öffentlicher Gelder bekannt geworden – mit einschneidenden Folgen: Der Mann wurde des Amtes enthoben, die Gemeinde stand längere Zeit unter „Zwangsverwaltung“. In der Folge gab es zudem eine Überprüfung der Buchhaltung aller zehn jüdischen Gemeinden in Baden. Jetzt startete am Landgericht Baden-Baden der lange erwartete Strafprozess. Dem Hauptangeklagten drohen im Falle einer Verurteilung bis zu vier oder mehr Jahre Haft.

 

Vorwurf: Zwei Bausparkassenverträge fingiert

Der Tatvorwurf: Untreue in 17 Fällen, davon in drei Fällen mit gefälschten Urkunden, sowie Betrug in einem Fall. Besonders schlagzeilenträchtig waren zwei fingierte Bausparkassenverträge, deren einziges Ziel es offenbar war, erwartbare Provisionen in fünfstelliger Höhe an befreundete Mittäter zu erzielen. Auch wird beklagt, zwei mit Leasingverträgen erworbene Mercedes seien rein zu privaten Nutzungszwecken angeschafft worden. Die Schadenssumme für die Fälle von Untreue und Betrug beläuft sich laut der Staatsanwaltschaft auf rund 100 000 Euro. Der einst im Raum stehende Vorwurf, Gelder in Höhe von 80 000 Euro für die Sanierung des jüdischen Friedhofs seien zweckentfremdet worden, wurde fallen gelassen.

Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht der ehemalige erste Vorsitzende der Gemeinde, Benjamin V., der früher auch als Religionslehrer seiner Glaubensgemeinschaft beschäftigt war und bereits seit 1997 in leitender Funktion in der heute rund 740 Mitglieder zählenden Gemeinde stand.

Der Prozess, der am Freitag startete, ist auf acht Verhandlungstage angesetzt. Bisher sind 33 Zeugen geladen. Nach umfangreichen Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft Baden-Baden im Juli 2015 Anklage erhoben. Bis zu einer Eröffnung des Hauptverfahrens gab es jedoch mehrfach Verzögerungen. Diese sind offenbar eine Strategie, denn zum Verhandlungsauftakt wurde die Sitzung aufgrund von Anwaltsgeplänkel erneut mehrfach unterbrochen. Zuerst sollten mehrere Zuhörer des Saales verwiesen werden, dann stellte der Verteidiger Hubert Gorka „die Zuständigkeit des Gerichts“ in Frage. Es handele sich um „innerkirchliche Angelegenheiten“, meinte er.

Richter: Es gibt keinen Anlass, das Verfahren einzustellen

Beides wies der Vorsitzende der Großen Strafkammer am Landgericht, Wolfgang Fischer, mit deutlichen Worten von sich. Es gebe keinen Anlass, die Einstellung des Verfahrens zu verfügen. Auch das beim Zentralrat der Juden in Deutschland ansässige Schiedsgericht käme nicht in Betracht. Alleine „ordentliche Gerichtsbarkeit“ sei zuständig, argumentierte der Richter.

Bereits in einem so genannten „Zwischenverfahren“ stellten Gorka und sein Co-Verteidiger Gerhard Bräuer die Zuständigkeit des Landgerichts in Zweifel: Das Oberlandesgericht (OLG) in Karlsruhe hatte den Antrag auf Einstellung des Verfahrens aber ebenfalls mit Urteil vom 25. April 2017 (Az.: 1WS 65/17) abgelehnt. Die neuerliche Wiederholung des Antrags im Gerichtssaal war offenbar für die Zuhörertribüne gedacht gewesen.

Oberstaatsanwalt Axel Isak unterstellte Gorka und seinem Anwaltskollegen „eine irrige Fehleinschätzung“. Es gehe bei den aufgelisteten Vorwürfen allein darum, dass Benjamin V. „seine Stellung missbraucht“ habe. In einem säkularen Staat liege das Gewaltmonopol beim Staat, eine „etwaige Strafbarkeit“ beurteile allein der Staat.

Angeklagter ist von seiner Unschuld überzeugt

Der Angeklagte ließ sich erwartungsgemäß von Anwalt Gorka für „unschuldig“ erklären. Das entspricht seiner bisherigen Verteidigungslinie. Eine vom Gericht angeregte „Verfahrensverständigung“ im Vorfeld des Prozessauftakts hat es nicht gegeben. Mit Spannung werden die Einlassungen mehrerer Zeugen erwartet. Dabei werden auch zwei mutmaßliche Mittäter gehört, gegen die Strafbefehle erlassen wurden, darunter der frühere zweite Vorsitzende der Gemeinde Andreas H. Die Strafbefehle sind noch nicht rechtskräftig. (Az. des Prozesses: 2 KLs 200 Js 779/13)