Unter dem Titel „Wer wir sind! Wer sind wir?“ fand nun eine Tagung zum Landesjubiläum statt - ohne die Badener und deshalb mit gehörig Zoff im Vorfeld. Die Landtagspräsidentin findet, dass Konkurrenz dem Land guttut.

Gerade die Konkurrenz zwischen Badenern und Schwaben macht den Südwesten aus Sicht von Landtagspräsidentin Muhterem Aras erst zu einem starken Bundesland. Die Stärke des Landes sei auch Folge von Konkurrenz, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwochabend bei einer Veranstaltung zum 70. Landesjubiläum, in deren Vorfeld sich die badische Landesvereinigung Europa heftig beschwert hatte, nicht eingeladen worden zu sein. Regionale Zugehörigkeit sei wichtig und stehe nicht im Widerspruch zur Weltoffenheit. Und: „Vielfalt ist nicht gleichbedeutend mit Harmonie.“ Die Landtagspräsidentin plädierte mit Blick auf das Konkurrenzgehabe zwischen den Landesteilen für mehr Augenzwinkern.

 

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„Bei Streit kann auch positive Energie entstehen“, sagte die Grünen-Politikerin am Rande des Podiumsgesprächs der Deutschen Presse-Agentur. Es sei kein Problem, im positiven Sinne zu streiten. „Wir profitieren von Konkurrenz auf Augenhöhe.“ So sei Karlsruhe in Forschung und Kultur so weit vorangekommen im Wettbewerb mit der Landeshauptstadt. Der Südwesten sei 70 Jahre nach seiner Gründung zusammengewachsen und habe allen Grund, stolz zu sein. Die Badener hätten viel beigetragen zum Liberalismus in Deutschland, sagte Aras. Und: „Die Badener haben auf jeden Fall den besseren Wein.“

Stein des Anstoßes

Zu dem Podiumsgespräch hatten unter anderem der Landtag, die Landeszentrale für politische Bildung und der Schwäbische Heimatbund geladen. Dass die badische Seite nicht beteiligt worden war, hatte die Landesvereinigung Baden in Europa erzürnt. Aras stand deshalb im Fokus der Kritik. Die hatte wiederholt argumentiert, dass beim offiziellen Festakt im Landtag am 4. Mai auch Badener auf der Bühne erwartet werden. Die Badener kämen beim Landesjubiläum keinesfalls zu kurz, versprach Aras am Abend. „Alle Landesteile kommen zu ihrem Recht.“

Trotz heftiger Kritik im Vorfeld zogen die Veranstalter die Tagung am Mittwochabend wie geplant durch. Man habe die Bühnenbesetzung für die Podiumsdiskussion „natürlich so belassen, wie sie ist“, sagte der stellvertretende Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, Reinhold Weber, der dpa im Vorfeld. „Die Sache ist künstlich hochgezogen und nahm dann mit der Resolution der Landesvereinigung Baden in Europa einen sehr schlechten Geschmack an.“ Es handle sich um die Fortsetzung einer Tagung aus dem Herbst 2020 mit dem Thema „Heimat“, die Veranstaltung sei vor mehr als einem Jahr geplant worden. Im Mittelpunkt standen Zuwanderung und Migration. Aras sprach am Abend auch von einer lokalen Veranstaltung. Vielleicht hätte man im Vorfeld zwischen dem Podiumsgespräch und dem offiziellen Festakt am 4. Mai stärker differenzieren müssen, räumte sie ein.

Hohe Wellen

Die Veranstaltung mit dem Titel „Wer wir sind! Wer sind wir? 70 Jahre Baden-Württemberg“ hatte im Vorfeld gehörig Ärger bei den Badenern verursacht. Auch badische Grünen-Landtagsabgeordnete protestierten gegen die Einladepolitik ihrer Parteikollegin Aras. Die AfD will die „Baden-Frage“ nun sogar in der nächsten Plenarsitzung debattieren. Der Streit schlug hohe Wellen, auch wenn zuletzt mildere Töne angeschlagen wurden. Am 5. Mai will sich Aras mit der Landesvereinigung Baden zu einem Aussöhnungsgespräch treffen.

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Hintergrund des Disputs ist die Gründung Baden-Württembergs vor 70 Jahren. Vor dem Zweiten Weltkrieg bestand der Südwesten aus Baden, Württemberg und Hohenzollern. Nach Kriegsende formten die Alliierten Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden. Die damaligen Ministerpräsidenten von Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern wollten einen großen Südweststaat, um vor allem im wirtschaftlichen Wettbewerb der Bundesländer mithalten zu können. Der badische Staatspräsident hingegen wollte seine Heimat vor zu viel schwäbischem Einfluss beschützen.

Bindestrich noch sehr präsent

Vor einer Volksabstimmung stimmte der Bundestag allerdings einem Gesetz von 13 CDU-Abgeordneten aus Württemberg unter der Führung des späteren Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger zu, wonach der Südwesten in vier Abstimmungsbezirke unterteilt wurde und zur Gründung eines Südweststaats die mehrheitliche Zustimmung in drei dieser Bezirke reichte. Das gelang - und die Badener fühlten sich ausgetrickst.

Auch 70 Jahre nach Landesgründung ist in vielen Köpfen der Bindestrich in Baden-Württemberg noch sehr präsent. Wie eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des Südwestrundfunks (SWR) vor kurzem ergab, fühlt sich immer noch nur jeder zweite Mensch in Baden-Württemberg dem Bundesland als Ganzes verbunden. Sieht sich die Hälfte der Bevölkerung (51 Prozent) am ehesten als Baden-Württemberger, so fühlt sich ein Viertel (24 Prozent) als Badener und ein knappes Fünftel (18 Prozent) als Württemberger.