Seit Jahren gibt es Debatten, ob die Schule zu früh am Morgen beginnt. Eine Klasse in Plochingen testete einen flexiblen Schulstart - mit guten Ergebnissen. Wie könnte es nun weitergehen?

Morgens früh in die Schule gehen oder lieber etwas länger schlafen? Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums in Plochingen haben mehrere Wochen ein Gleitzeit-Modell getestet und eine positive Bilanz gezogen. „Das Projekt ist für die Klasse und für mich ein Erfolg gewesen“, sagte Till Richter, Deutschlehrer der Klasse an der Schule im Landkreis Esslingen.

 

Er plädierte dafür, die Gleitzeit erneut auszuprobieren. „Ich könnte mir im nächsten Schuljahr einen weiteren Test vorstellen“, so Richter. Dieser müsste wissenschaftlich begleitet und ausgewertet werden - und auch mit neutraleren Klassen und neutraleren Lehrkräften durchgeführt werden.

Denn die Idee für den Versuch am Plochinger Gymnasium, der von Anfang April bis Mitte Mai lief, kam von den Schülern selbst. Diese hatten im Deutsch-Unterricht darüber diskutiert, was sie an der Schule stört. „Dabei kamen schnell die Unterrichtszeiten und der Schulbeginn auf. Dabei ist die Idee entstanden“, sagte Richter.

Entweder Aufgaben im Unterricht erledigen oder daheim

Daraufhin testete die siebte Klasse des Gymnasiums sechs Wochen lang ein Gleitzeit-Modell für den Schulbeginn aus. Zweimal pro Woche durften die Schülerinnen und Schüler entscheiden, ob sie regulär um 7.50 Uhr oder erst um 9.40 Uhr in die Schule kommen wollen. Dafür gab es immer dienstags und freitags statt des regulären Deutsch- und Englisch-Unterrichts eine sogenannte freiwillige Lernzeit. Für diese Zeit bekamen die Siebtklässler Aufgaben, die sie entweder unter Aufsicht in der Schule bearbeiten konnten oder zu einem anderen Zeitpunkt zu Hause abarbeiten mussten.

Genutzt wurde die Möglichkeit zur Gleitzeit in Plochingen von den Schülerinnen und Schülern ganz unterschiedlich. Mal sei er mit zwei Schülern dagesessen, mal sei die halbe Klasse dagewesen, erinnerte sich Richter. Das Ziel sei nicht gewesen, dass möglichst wenig Schülerinnen und Schüler zum Unterricht kämen, sondern dass sie sich genau überlegten, ob es Sinn ergebe, dass sie kämen.

Lehrer: Wer kam, war deutlich motivierter

Mit Erfolg, so das Fazit des Pädagogen: „Diejenigen, die sich entschieden haben, in die Schule zu kommen, waren deutlich motivierter.“ Zudem habe er in den Gleitzeit-Stunden Zeit für Schülerinnen und Schüler gehabt, die sich vor der gesamten Klasse nicht trauten, mit ihm zu sprechen.

Und auch die Erledigung der Aufgaben habe gut funktioniert, nur sehr wenige hätten die Aufgaben nicht gemacht. „Durch das Gleitzeit-Modell gab es keine Ausreden mehr. Niemand konnte mehr sagen: Ich hatte keine Zeit“, sagt Richter. Bei den Schülerinnen und Schülern, die die Aufgaben nicht gut erledigt hätten, habe er durch das Modell zudem ein neues Instrument gewonnen: „Da konnte ich sagen: Komm zur nächsten Gleitzeit und wir gehen das noch mal gemeinsam durch.“

Ob es im kommenden Schuljahr am Plochinger Gymnasium einen weiteren Gleitzeit-Versuch gebe, wolle die Schulleitung zu Beginn der Sommerferien in einer Klausurtagung besprechen, erklärte Richter, der auch Mitglied des Schulleitungsteams ist.

Schülerbeirat: Bräuchte es an allen Schulen

Unterstützung kommt vom Landesschülerbeirat. „Rein aus Schülersicht ist das absolut sinnvoll. Das bräuchte es eigentlich an allen Schulen“, sagte der Vorsitzende des Gremiums, Joshua Meisel der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Eine längere Schlafdauer führe zu einer signifikanten Steigerung des Konzentrationsniveaus und zu besseren Notendurchschnitten, so Meisel. Großer Vorteil eines Gleitzeit-Modells im Gegensatz zu einer generellen Verschiebung des Unterrichts nach hinten sei die Flexibilität für jede Schülerin und jeden Schüler. Diese hätten alle einen unterschiedlichen Schlafbedarf.

Nach Angaben des Kultusministeriums entscheidet über den Schulbeginn in Baden-Württemberg laut Schulgesetz die sogenannte Schulkonferenz. In dem Gremium sind Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern und Schüler vertreten. „Eine Staffelung des Unterrichtsbeginns ist grundsätzlich möglich. Die entsprechende Entscheidung ist von der Schulkonferenz der einzelnen Schule unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu treffen“, hatte ein Sprecher des Ministeriums zum Start des Gleitzeit-Versuchs mitgeteilt. Dabei müsse etwa die organisatorische Umsetzbarkeit geprüft werden, zum Beispiel mit Blick auf die Verkehrsinfrastruktur.

An Grundschulen sind die Regeln dagegen strenger. Dort solle der Unterricht jeden Tag gleichmäßig beginnen, teilte das Ministerium mit. „Die Klassen 1 und 2 beginnen spätestens zur zweiten Stunde, die Klassen 3 und 4 zur ersten Stunde. Von diesen Vorgaben darf nur aus zwingenden Gründen abgewichen werden“, hieß es weiter.