Es ist wie ein Aufbruch ohne viel Geld in der Reisekasse. Nach fünf fetten Jahren müssen Grüne und CDU den Gürtel enger schnallen. Der große Verteilungskampf um vorrangige Projekte wird erstmal vertagt.

Stuttgart - Grüne und CDU in Baden-Württemberg haben ihre Koalitionsverhandlungen so gut wie abgeschlossen. „Wir sind im Prinzip durch“, hieß es am Freitag in Verhandlungskreisen. In so gut wie allen Themenfeldern habe man sich schon geeinigt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart. Es gibt jedoch ein großes „Aber“: Die beiden Parteien haben sich darauf verständigt, in ihrem Koalitionsvertrag den Finanzbedarf für ihre Vorhaben offen zu lassen. Somit muss nach der Regierungsbildung immer neu verhandelt werden, wie viel Geld in welches Projekt fließen soll. Allerdings soll es dabei bleiben, dass die Projekte aus der Sondierung, vor allem der Klimaschutz, Vorrang haben. Der Koalitionsvertrag soll an diesem Samstag unter Dach und Fach sein.

 

„Für Finanzen brauchen wir erstmal die Steuerschätzung“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) der dpa nach Abschluss der Gespräche am Freitagnachmittag. Die Steuerschätzung für Bund, Länder und Kommunen soll am 12. Mai veröffentlicht werden - das ist der Tag der geplanten Vereidigung Kretschmanns als Regierungschef im Landtag. Bei den Verhandlungen habe es kaum gehakt, sagte der Grüne. „Es war alles im Fluss.“ CDU-Landeschef und Innenminister Thomas Strobl sagte der dpa mit Blick auf die Gespräche an diesem Samstag: „Wir werden morgen fertig.“

Stufenpläne wegen Geldmangel

Wie die dpa erfuhr, soll es dabei bleiben, dass die schon in der Sondierung genannten Projekte wie Klimaschutz, innere Sicherheit, Ausbau des schnellen Internets und des Öffentlichen Nahverkehrs Vorrang haben. Allerdings soll es wegen des Geldmangels in der Landeskasse dem Vernehmen nach Stufenpläne geben. Das heißt, man finanziert einen Einstieg und füttert dann nach, wenn die Steuerquellen wieder stärker sprudeln. Die Zeiten des „fröhlichen Geldausgebens“ seien vorbei, hieß es in Grünen-Kreisen.

Das birgt Konfliktpotenzial für die kommende Legislaturperiode, da die Partner schon auch unterschiedliche Prioritäten haben. So dringen die Grünen auf kräftige Investitionen in den Klimaschutz, während die CDU auf mehr Polizeistellen pocht. Allerdings musste die CDU schon in der Sondierung deutliche Zugeständnisse machen, schließlich ist sie nach der Niederlage bei der Landtagswahl klarer Juniorpartner.

Bisher hatte es in den Koalitionsverhandlungen lediglich geheißen, dass so gut wie jedes Vorhaben, das Kosten nach sich zieht, im Vertrag mit einem Haushaltsvorbehalt belegt werden solle. Grün-Schwarz hat wegen der Folgen der Corona-Pandemie mit großen Haushaltslöchern zu kämpfen. Nach der Herbst-Prognose fehlen in den nächsten drei Jahren jeweils etwa vier Milliarden Euro im Etat.

Verteilung der Ministerien in kommenden Tagen

Dennoch soll es im Koalitionsvertrag einige wenige Vorhaben geben, die sofort umgesetzt werden sollen und auch Geld kosten. So sei klar, dass ein Sofortprogramm aufgelegt werden soll, mit dem die corona-bedingten Lernrückstände von Kindern und Jugendlichen ausgeglichen werden sollen. An diesem Samstag müssten unter anderem noch Doppelungen im Text des Koalitionsvertrags geklärt werden. Im Laufe der kommenden Tage soll dann in kleinen Runden über die Verteilung und den Zuschnitt der Ministerien entschieden werden.

Nach Informationen der dpa und des „Badischen Tagblatts“ entschieden sich Grüne und CDU gegen das von der Union eingebrachte Familiengeld. Das wurde in Kreisen von Grünen und CDU bestätigt. Je nach Ausgestaltung hätte die Leistung zwischen 200 und 600 Millionen Euro gekostet. Das Familiengeld wäre eine Art zusätzliches Kindergeld, das nur in Baden-Württemberg und unabhängig vom Einkommen der Eltern gezahlt werden sollte.

CDU muss bei Familienpolitik Federn lassen

Die CDU muss somit auch in der Familienpolitik kräftig Federn lassen. Wegen des Geldmangels hatten sich Grüne und CDU schon gegen das von der Union anvisierte Baukindergeld entschieden. Zudem wollte die CDU zur Unterstützung von Familien und Häuslebauern die Grunderwerbsteuer von 5 auf 3,5 Prozent senken, doch auch das musste sie wegen der hohen Kosten abschreiben.

Wie erwartet einigten sich die künftigen Partner auf ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz für Baden-Württemberg. Die Formulierung soll in den kommenden Monaten erarbeitet werden. Es könnte sich nach dem bundesweit bislang einzigen entsprechenden Landesgesetz von Berlin ausrichten und soll Benachteiligungen wegen der Hautfarbe und anderer Merkmale verhindern. Die Polizeigewerkschaften machen massiv Front dagegen und sprechen davon, das geplante Gesetz führe zu „pauschalisierten Vorverdächtigungen“ von allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Allerdings sind Verdi und die Bildungsgewerkschaft GEW für ein solches Gesetz.