Im Südwesten sollen Tausende neuer Polizisten ausgebildet werden. Doch nicht alle Azubis bleiben am Ball. Aus Sicht der Polizeigewerkschaft wird dem Nachwuchs zu wenig geboten.

Stuttgart - Jeder zehnte Polizeianwärter in Baden-Württemberg bricht laut Gewerkschaftsschätzung seine Ausbildung ab. Die grün-schwarze Landesregierung werde das Ziel der geplanten Neueinstellungen in der Polizei nicht erreichen, sagt die Deutsche Polizeigewerkschaft voraus. Dafür seien die zusätzlichen Abgänge zu hoch und die Maßnahmen für eine qualitativ hochwertige Ausbildung unzureichend und falsch, erläuterte der DPolG-Landesvorsitzende Ralf Kusterer am Ostermontag in Stuttgart. Als schlimm bezeichnete Kusterer die Situation in der Ausbildung der geplanten 900 Polizeivollzugsbeamten. „Bis zum März wurde noch kein zusätzlicher Auszubildender eingestellt. Und noch schlimmer, es verlassen uns viel zu viele Auszubildende wieder.“ Dem widersprach Innenminister Thomas Strobl (CDU) vehement. Es laufe die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der baden-württembergischen Landespolizei.

 

Die Zahl derer, die die Polizei in der Ausbildung wieder verlassen, schätzt die DPolG auf rund zehn Prozent. „Nach unseren Schätzungen haben alleine im letzten Jahr rund 150 Beamte in Ausbildung uns wieder verlassen. Das wären sogar mehr als zehn Prozent.“ Dies werde sich so fortsetzen.

Laut Strobl ist der Polizeiberuf nach wie vor attraktiv und es bestünden keine Nachwuchssorgen. Die Hochschule für Polizei habe bei den Studienbeginnern Rekordzahlen und das werde sich 2018 fortsetzen. „Andere Meldungen sind schlicht falsch. Der Polizeiberuf sollte auch nicht schlecht geredet werden - weder von Teilen der Gewerkschaften, noch von der FDP.“

Immer noch „erfreulich attraktiv“

Durch die Rücknahme der Absenkung der Eingangsbesoldung ist der Einstieg in den Polizistenberuf seit diesem Jahr laut Strobl finanziell attraktiver geworden. „Auch das hatten wir ursprünglich bis zum Jahr 2021 versprochen - umgesetzt ist es bereits seit dem 1. Januar dieses Jahres. Auch hier halten wir mehr als versprochen wurde.“

Auch der Innenexperte der Landtags-CDU, Thomas Blenke, bezeichnete die Äußerungen von Kusterer als überzogen. „Es gibt Leute, die brechen die Ausbildung ab, das ist völlig normal und hat es schon immer gegeben.“ Tatsache sei jedoch auch, dass die anvisierte Anzahl der Neueinstellungen pro Jahr bei der Polizei ambitioniert sei. Der Polizeiberuf sei dennoch immer noch „erfreulich attraktiv“.

Die Landtags-FDP sieht sich allerdings in Warnungen bestätigt. Besonders verwerflich sei, dass Strobl ständig Erfolgsmeldungen verbreite und nichts tue, um die notwendigen Ausbildungskapazitäten und Ausbildungsvoraussetzungen zu verbessern. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Andreas Schwarz, sagte: „Den unverantwortlichen Stellenabbau der FDP in der Vorgängerregierung haben wir gestoppt. Bei der Polizei zu arbeiten ist ein beliebtes Berufsziel: Für das laufende Ausbildungsjahr liegen in Baden-Württemberg doppelt so viele Bewerbungen wie verfügbare Plätze vor.“

Mangelnde Leistungsbereitschaft

Die Gründe für den Abbruch der Ausbildung sind laut Kusterer unterschiedlich. Viele junge Kollegen stellten zum einen fest, dass die Polizei nicht das Richtige für sie ist. Aber auch die weit entfernten Ausbildungsstandorte und die Rahmenbedingungen seien für viele junge Menschen nicht attraktiv. „Mit Wohncontainern und einer Mehrfachbelegung oder gar fehlendem W-Lan kann man heute junge Menschen nicht begeistern. Wenn dann noch die Entfernung dazu kommt, ist das für manche zuviel.“

Die Ausbilder beklagten zudem mangelnde Leistungsbereitschaft. „Dabei halten sich unsere Lehrer mit Äußerungen zurück. Viele trauen sich nicht, Mängel offen anzusprechen, weil sie befürchten, in ihrem Fortkommen gehindert zu werden“, sagte Kusterer. Er sprach unter anderem deswegen von einer immer stärker werdenden Frustration und Demotivation in der Polizei.

Insgesamt 3600 Auszubildende sollen in diesem und im nächsten Jahr ihren Polizeidienst beginnen. Bekannt ist schon, dass es massiv an Ausbildern fehlt. Das Innenministerium in Baden-Württemberg startete deswegen bereits eine Initiative, um Beamte im Ruhestand temporär für diese Aufgabe zu gewinnen. Die aufgestockten Einstellungen von jeweils 1800 Auszubildenden in den Jahren 2018 und 2019 erfordern für die Ausbildungsstandorte Herrenberg, Wertheim, Biberach und Lahr zusätzliches Lehr- und Verwaltungspersonal. Dieser Bedarf wird derzeit ermittelt.